Einfach

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"Wie, ich darf das nicht einfach so erfahren?" Meine Stimme wurde mit jedem Wort lauter und zorniger: "Ich habe doch ein Recht darauf, den Namen meiner biologischen Mutter zu wissen!" Wir hatten mindestens eine Stunde drauf gewartet, in dieses hässliche, kleine, kahle Büro, mit der vertrockneten Zimmerpflanze, gerufen zu werden, nur, um dann zu erfahren, dass es uns nichts bringen würde, dass sich der ganze Aufwand nicht gelohnt hatte

"Luna, beruhige dich.", sprach Alex auf mich ein. Wenn er mich Luna nannte, war es wirklich ernst, und er machte sich Sorgen: "Es bringt dir ja doch nichts."

Ich schaute die Jugendamtsmitarbeiterin zornig an. Sie hatte ihre braunen Haare zu einem hohen, strengen Dutt gesteckt, trug ein unvorteilhaft geschnittenes, beiges Kostüm und darunter eine weiße Bluse. Sie sah mich durch ihre Brille mitleidig an: "Ich wiederhole mich: Das funktioniert nicht so einfach. Dazu müsstest du erst einen Antrag beim Gericht stellen, und das dauert."

"Ich hab aber nicht so viel Zeit! Ich brauche den Namen jetzt! Es wird doch wohl nicht so schwer sein, einen kleinen Namen zu verraten!" Ich war von meinem Stuhl aufgesprungen, und hatte mit meiner Hand auf den Tisch geschlagen. Alex zog mich wieder auf meinen Stuhl zurück, und hielt mich am Arm fest.

"Das tut mir Leid für dich, aber es ist schwer. Ich kann es dir nicht verraten, denn es ist mir verboten worden. Und zwar von ganz oben. Vom Gesetzt." Bei ihren Worten lehnte sie sich über ihren weißen Schreibtisch.

"Ach das interessiert Sie doch einen Dreck!" Zum Glück hielt Alex mich fest, sonst wäre ich aufgesprungen und hätte ihr den Kopf abgerissen. Natürlich nicht wortwörtlich.

"Hör bitte auf mich anzuschreien, oder ich muss dich bitten mein Büro zu verlassen." Wie konnte sie nur so ruhig bleiben? Ich wollte doch nur den Namen meiner Mutter, und einen klitzekleinen Namen zu verraten, dürfte doch wohl nicht so schwer sein, oder?

"Luna es bringt nichts mehr. Du merkst doch selbst, dass die nicht mit uns reden wollen. Denen macht das Spaß uns zappeln zu lassen. Es ist am besten, wenn wir jetzt gehen." Alex stand auf und zog mich, am Arm immer noch festhaltend, mit zur Tür. Kurz bevor wir hinausgingen, drehte ich mich noch einmal um, um der Jugendamtsmitarbeiterin einen bösen Blick zu zuwerfen. Ich konnte zwar nicht mehr sehen, wie sie drauf reagierte, aber ich hoffte, dass dieser Blick seine Wirkung nicht verfehlte.

"Warum stellen die sich bloß immer so quer?" Alex schaute mich mitleidig an. Wir saßen mit zwei heißen Kakaos, die ich gleich gemacht hatte, als wir nach Hause gekommen waren, auf meinem Bett.

"Ich weiß es nicht, Moonshine. Aber was willst du nun machen?" Ich antwortete nicht, denn ich wusste nicht, was ich hätte antworten können. Statt dessen sah ich aus meinem Fenster, vorbei an Alex. Es war später Nachmittag, und draußen wehte ein leichter Wind, was ich daran erkannte, dass sich die Blätter des Lindenbaums, welcher vor meinem Fenster stand, im Wind hin und her bewegten. Vereinzelt lösten sich ein paar, und flogen fort, hinaus in die Welt. Sie konnten sich einfach losreißen und ihrer Situation entfliehen.

In diesem Moment wünschte ich mir, dass ich das auch könnte. Einfach fort von hier. Einfach alles, die Träume, die Sorgen, die Ängste vergessen. Einfach frei und glücklich sein. Einfach einmal Antworten auf Fragen erhalten.

 Aber wie die Jugendamtsmitarbeiterin schon sagte: 'Das funktioniert nicht so einfach.'

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