P.O.V. John
Von Sherlock umarmt zu werden, war seltsam. Ganz eindeutig. Dennoch ließ ich es geschehen. Auf ihn konnte ich mich verlassen. Er würde mich beschützen, egal was passieren würde.
Bevor unsere Umarmung einen dezent schwulen Charakter bekommen kann, lösen wir uns voneinander. Ich ziehe ein Taschentuch aus meiner Hosentasche und wische mir die Tränen aus den Augen. Dann schnäuze ich mir die Nase und setze mich wieder in den Stuhl, Sherlock zu meiner Linken. Aufmerksam hört er mir zu, während ich ihm leise davon erzähle, was Mary zuletzt zu mir gesagt hatte. Immer wieder runzelt er die Stirn und schaut aus dem Fenster. Als ich meine Geschichte beende, sagt er eine ganze Weile nichts.
"John...", beginnt er langsam, "Ich weiß nicht, ob ich sowas kann; ein Kind erziehen."
Ich lache traurig: "Du bist ja die meiste Zeit selbst eines!" Er verzieht seinen Mund zu einem Lächeln.
"Aber ich werde es versuchen."
Ich sehe meinen Freund erstaunt an. "Du willst versuchen ein Kind zu erziehen?", frage ich überrascht und ziehe meine Augenbrauen nach oben.
"Offenkundig", antwortet er und sieht wieder aus dem Fenster.
***
P.O.V. Sherlock
Die folgenden Wochen waren die Schwersten, die ich jemals erlebt hatte. John war mit Rosie wieder in die Bakerstreet eingezogen, jedoch durchgehend traurig und auch ich konnte ihn nur sehr selten zum Schmunzeln bringen. In den Situationen, in denen ich ihn sonst immer zur Weißglut brachte, fing er nun sehr schnell an, Tränen zu vergießen. Das war schrecklich anzusehen. Die einzige Ablenkung, die es noch zu geben schien, war Rosie. Rosie war mit Abstand das witzigste Mädchen, das ich je kennengelernt hatte - auch wenn sie es schaffte, mich mit ihrer Sturköpfigkeit und Dummheit zur Verzweiflung zu bringen. Sie war diejenige, die John zum Lächeln brachte, wenn er mal wieder wegen mir Tränen in den Augen hatte. Ich versuchte mich unter Kontrolle zu halten, aber mal ehrlich, wann schaffe ich das schon?
Mycrofts Anrufe, die ich in der Zeit häufiger als sonst erhielt, ignorierte ich geflissentlich und auch Lestrades Fallangebote lehnte ich ab. Es war eine seltsame Zeit. John, Rosie und ich waren die meiste Zeit zuhause und ich malträtierte die Wand mit meiner Pistole nur außerhalb von Rosies Schlafzeiten, auch wenn John dies nicht zu würdigen wusste. Trotz meiner fehlenden Babysitterkompetenzen (erzählt John bloß nichts davon), dachte ich, dass ich auf Rosie aufpassen würde, wenn John mal wieder einkaufen war - glaubt ja nicht, dass ich selber einkaufen gehe! Das war jedoch nicht der Fall. Immer, wenn John Besorgungen machte, gab er seine Tochter bei Mrs. Hudson ab. Als ob ein Drogenkartell besser als meine Wenigkeit für Babysitterangelegenheiten wäre! Tz! Die Baby-und-John-freie Zeit verbrachte ich jedoch damit, Johns übliche Verstecke für meine Zigaretten abzusuchen. Er war nämlich der Meinung, dass ich nun nicht mehr rauchen dürfte, wo doch jetzt Rosie bei uns wohnt.
Die Wochen vergingen und das Zusammenleben mit John wurde erst erträglicher, als wir die Beerdigung von Mary hinter uns hatten. Mrs. Hudson war so freundlich gewesen auf Rosie aufzupassen, während ich John begleitete und mit einer Packung Taschentücher und ein paar Mal auf den Rücken tätscheln unterstützte.
Nach diesem Tag schien er mit ihr abgeschlossen zu haben.
***
P.O.V. Sherlock
John ist gerade wieder einkaufen, Rosie ist bei Mrs. Hudson und so bleibt mir nichts anderes übrig, als die restliche Wohnung aus lauter Langeweile in ein einziges Schlachtfeld zu verwandeln. Ich suche die unterschiedlichsten Dinge heraus und lasse sie im Wohnzimmer verstreut liegen, nur um dann Geige zu spielen, mit der Pistole gegen die Wand zu feuern oder wie tot auf dem Sofa zu liegen.
Nach zwei, mir unerträglich lang vorkommenden, Stunden höre ich Schritte auf der Treppe. Dem Gang nach zu urteilen ist es John, der die Einkaufstüten hinauf trägt. Blitzschnell drehe ich mich auf dem Sofa auf meine rechte Seite, winkle die Beine an, ziehe meinen Morgenmantel über meine Knie und schließe die Augen.
"Sherlock, ich bin wieder... Du meine Güte, was hast DU GETAN?", höre ich John schreien. Er stellt die Tüten wutentbrannt in der Küche ab und kommt zu mir.
Ich gebe keine Antwort.
"Sherlock!", sagt er immer noch sehr laut und rüttelt an meiner Schulter, "Sherlock, wach auf! Ich hole jetzt Rosie von unten ab und wenn ich wiederkomme, ist der Saustall hier weggeräumt, hast du mich verstanden?" Ich gebe keinen Mucks von mir.
John verlässt schnaubend eilig die Wohnung und geht zu Mrs. Hudson nach unten. Als er unten ankommt, springe ich auf, gehe in die Küche und fange an, die Tüten, die John gefüllt hat, in den Kühlschrank zu entleeren. In Windeseile schnappe ich mir einige Dinge vom Fußboden, darunter ein großes Messer, ein Totenschädel und eine alte Blutkonserve, und räume sie an ihren Platz. Gemächlich stelle ich mich vor das Fenster, nehme meine Geige vorsichtig in die Hand und spiele eine meiner Lieblingsmelodien. John mag sie mindestens genau so gerne wie ich. Grinsend spiele ich weiter, während John mit Rosie auf dem Arm das Wohnzimmer betritt und schon wieder weiter schimpfen will.
"Sherlock, ich sagte doch, dass du...", er stoppt mitten im Satz und sieht sich verdutzt um. Ungläubig geht er in die Küche und als er die leeren Einkaufstüten sieht, höre ich von ihm ein: "Danke."
Schmunzelnd spiele ich weiter.
"Tee?"
"Sehr gerne.", antworte ich immer noch mit der Geige am Kinn. Mit geschlossenen Augen spiele ich die wohlklingende Melodie weiter und gebe mich dieser komplett hin.
Mit Rosie auf dem Arm macht sich John an die Zubereitung des Tees, die bei ihm durchschnittlich 14 Minuten und 36 Sekunden dauert, jetzt jedoch aufgrund von Rosie 17 Minuten und 23 Sekunden in Anspruch nimmt. Na super! Nicht nur John nimmt sie mir weg, sondern auch auf meinen Tee muss ich nun länger warten! Ich spiele weiter, während John die Teetassen auf den kleinen Wohnzimmertisch neben unseren Sesseln stellt. Ruckartig spiele ich den letzten Ton, lege meine Geige beiseite und springe über die Sessellehne nur, um gekonnt in einer perfekten Sitzposition auf dessen Sitzfläche zu landen. Ich nehme meine Teetasse in die Hand und sehe John an, der auch sogleich zu sprechen beginnt.
"Mrs. Hudson meinte, sie würde heute Abend auf Rosie aufpassen wollen, damit wir uns einen ungestörten Abend machen können." Mit einer Hand hält er seine Tasse in der Hand mit der anderen streichelt er Rosie, die auf seinem Schoß eingeschlafen ist. Wie kann man nur so viel schlafen?
Ich antworte nicht sofort.
"Einen ungestörten Abend?", frage ich nach einer Weile langsam.
"Ja.", gibt John zurück und sieht hinunter auf seine schlafende Tochter.
Ich runzle die Stirn. "Und was machen wir dann?"
"Essen gehen?", fragt er scheinheilig.
"Ich esse nicht, John, essen macht mich langsam!", gebe ich genervt zurück und verdrehe die Augen. Das müsste er doch langsam mal wissen!
"Ja, aber du hast momentan keinen Fall. Du lehnst sie alle ab, Lestrade und Mycroft wundern sich schon. Also kannst du auch etwas mit mir essen gehen!"
"Woher weißt du das?"
"Sieh' dir doch mal unsere Wand an, außerdem melden sich die beiden ständig bei mir!"
"Also gut.", gebe ich mich geschlagen. "Dann gehen wir heute Abend essen."
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Der Mond scheint hell heute Nacht (Johnlock FanFiction)
أدب الهواةWenn eine Triggerwarnung (bspw. Smut) vorliegt, werde ich das zu Beginn des Kapitel schreiben. Eigentlich haben John Watson und Sherlock Holmes keine Gefühle füreinander. Doch wie eine zufällige Gegebenheit es so möchte, geraten die beiden aneinande...