Bei der Polizei angekommen muss ich noch auf Amelies Vater warten. Doch er kommt schon nach ein paar Minuten. Er hat eine normale Jeans und ein einfaches T- Shirt an. Er sieht relativ gut aus, doch ich sehe ihm an, dass er sich Sorgen macht. Wir begrüßen uns und gehen dann rein. Am Empfang sagen wir, dass wir eine Vermisstenanzeige aufgeben wollen und ein Beamter führt uns in ein Büro. Als wir im Büro angekommen sind, setzten wir uns auf zwei Stühle und warten auf einen Polizisten. Auf der anderen Seite des Tisches steht ein Bürostuhl. Im Regal hinter dem Stuhl stehen viele dicke Ordner. Ein ganz normales Büro eben. Endlich wird die Türe aufgemacht und ein Polizist betritt den Raum. Er sieht freundlich aus und er schließt hinter sich die Türe. Er setzt sich hin und grinst uns freundlich an.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Unsere Tochter kam heute Nachmittag nicht nach Hause.“, fange ich an.
„Haben Sie den schon ihre Freunde angerufen?“
„Ja natürlich.“
Der Polizist scheint etwas genervt zu sein, er ist jedoch noch freundlich und antwortet dann: „Hören Sie, es kommen täglich Eltern zu uns und wollen eine Vermisstenanzeige aufgeben. Sie rufen am nächsten Tag bei uns an und sagen, dass ihr Kind wieder aufgetaucht ist. Sie hat bei Freunden übernachtet und hat vergessen Bescheid zu sagen.“ Was soll das jetzt heißen? Macht er sich über uns lustig? Haben wir doch noch einen Tag warten sollen? Ist Amelie vielleicht schon wieder zu Hause? „Machen Sie nichts?“
„Sie müsste mindestens 24 Stunden verschwunden sein. Dann würde man erst auf die Suche nach Ihrer Tochter gehen. Die meisten tauchen wieder nach einem Tag auf.“ Toll, kann er sich nicht denken, dass wir uns Sorgen machen? Was wenn wirklich etwas passiert ist? Wenn die Polizei erst Morgen etwas unternimmt, könnte es schon zu spät sein. Als er meine Gedanken gelesen hätte, sagt er: „Machen Sie sich bitte nicht zu viele Sorgen. Sie sind bestimmt unbegründet. Wer weiß, vielleicht ist Ihre Tochter schon wieder zu Hause. Wenn sie morgen oder übermorgen noch nicht da ist, kommen Sie wieder und dann nehmen wir den Fall auf und wir gehen an die Suche.“ Wie kann er so etwas einfach sagen? Versteht er uns überhaupt?
„Haben Sie Kinder?“, frage ich den Polizisten. Er sieht mich einfach nur an und es geht ein paar Sekunden bis er antwortet. „Nein.“
„Dann wissen Sie nicht wie viele Sorgen ich mir mache. Es wäre das Schlimmste für mich wenn ihr etwas passieren würde oder sie sogar sterben würde. Mal hart gesagt. Ich mache mir eben sehr viele Sorgen. Das würde jede Mutter machen.“ Ich sehe ihn nochmal ganz kurz an und stehe auf und verlasse den Raum. Mein Ex-Man verabschiedet sich sogar noch mit einem Handschlag und bedankt sich noch. Ich könnte das nicht. Wie kann er mir sagen, dass ich mir keine Sorgen machen soll? Er kann mich ja nicht mal ansatzweise verstehen, schließlich hat er ja keine Kinder.
„Du warst schon etwas hart mit dem Polizisten. Schließlich hat er ja sich Zeit für uns genommen.“ War ja klar dass sowas von ihm kommt.
„Aber was hat es genützt? Nichts. Und dann sagt er noch, dass ich mir keine Sorgen machen soll. Was ja eigentlich stimmt. Aber wie soll er uns verstehen wenn er selber keine Kinder hat?“
„Ich weiß es nicht, aber rege dich bitte wieder ab. Wahrscheinlich ist Amelie wieder zu Hause.“
„Hoffentlich.“
Zuhause angekommen, rufe als alles Erstes nach ihr. Natürlich antwortet niemand. Doch ich habe immer noch etwas Hoffnung und deswegen laufe ich die Treppe nach oben in Amelies Zimmer. Wie erwartet ist sie nicht da. Mir kommen schon fast die Tränen. Ich suche das ganze Haus ab. Doch sie ist nirgends zu finden. Wo ist sie? Weinend komme ich wieder die Treppe herunter und mein Ex-Mann nimmt mich in den Arm. Nach einer Weile lösen wir uns wieder voneinander.
„Wir sollten John anrufen.“, sage ich.
„Das hast du noch nicht gemacht?“, fragt er ungläubig.
„Nein.“ Er greift zum Telefon und wählt.
„Wenn rufst du an?“ Er sieht mich an. „John.“ Sofort versteife ich und hole einmal tief Luft. Er kommt zu mir und nimmt mich halber in den Arm. „Komm schon, so schlimm wird’s bestimmt nicht werden. Außerdem rede ich ja mit ihm, oder? Vielleicht ist sie ja bei ihm.“ Ich sage nichts mehr und hoffe, dass sie vielleicht wirklich da ist. Er fängt an zu reden. Am Anfang höre ich noch zu was er sagt, aber irgendwann wird es mir zu langweilig und ich bin wieder in meinen Gedanken vertieft. Was sagt John wohl? Ist sie bei ihm? Und wenn nein, weiß er wo sie ist? Ich hoffe es so sehr. Seine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.
„Sie ist nicht bei ihm und er weiß auch nicht wo sie ist. Er macht sich natürlich auch Sorgen und er meldet sich sofort wenn sie sich bei ihm meldet. Wenn sie wieder auftaucht, dann soll sie sich bei ihm melden.“ Ich kann nicht mehr. Ich setzte mich hin und fange an zu weinen. Mein Ex-Mann nimmt mich in den Arm und irgendwann schlafe ich ein.
Amelies Sicht
Der Mann kommt ganz rein und schließt die Türe hinter sich. Mit jedem Schritt den er näher kommt, bekomme ich nur noch mehr Panik. Was hat er vor?
*
Ein paar Meter bleibt er vor mir stehen und fängt an zu reden.
„Du brauchst keine Angst zu haben. Wenn du nicht versuchst zu flüchten, dann mache ich dir nichts. Sei brav und mache einfach was ich dir sage. Dann wirst du vielleicht sogar dafür Belohnt. Wenn die Forderungen erledigt werden, die ich stelle, dann kommst du frei.“ Er bleibt einfach dort stehen wo er ist. Was für Forderungen? Jemand von außerhalb? Jedenfalls wüsste ich von keinen die er mir gestellt hat. Außer das ich brav sein soll. Aber das ist doch keine Forderung. Oder doch? Kann ich ihm trauen? Komme ich frei wenn ich nicht versuche zu fliehen? Wird er mir wirklich nichts antun? Habe ich überhaupt eine Wahl? Ich bezweifle es sehr und ich mich nicht traue um zu hoffen. Danach würde ich nur noch mehr enttäuscht sein. Und was für Belohnungen? Besseres Essen?
„Du kannst nur warten und hoffen, dass dein Freund meine Bedingungen erfüllt. Wenn nicht, tja, mal schauen was dann mit dir passiert. Jetzt gibt es jedenfalls erst mal etwas zu essen.“ Was für Forderungen? Kennt John ihn? Hat John bei ihm noch eine offene Rechnung? Wird er die Forderung erfüllen können? Was wenn nicht? Was meint er mit „Mal schauen was dann mit dir passiert.“? Werde ich dann für immer hier eingeschlossen werden? Wie weit wird er gehen? Wird er mich töten? Daran will ich nicht denken.
Der Mann dreht sich um, öffnet die Türe, geht kurz raus und kommt mit einem Tablett wieder rein. Ist das das Essen? Was wird es wohl geben? Wie im Gefängnis Trocken Brot und Wasser? Gibt es das überhaupt im Gefängnis? Oder haben die dort besseres Essen? Er stellt es vor mir ab und wünscht mir Guten Appetit. Kaum schaue ich wieder hoch, ist er auch schon verschwunden. Jetzt begutachte ich das Essen genauer. Auf dem Tablett ist Brot mit Butter und Wurst. Wow. Wie großzügig. Zum Trinken gibt es Wasser. Wie ich befürchtet habe. Ich schiebe das Tablett von mir weg und lege mich auf das Bett. Ich schließe meine Augen und versuche mir vorzustellen, dass ich in mein eigenes Bett in meinem Zimmer liege. Zum Glück schlafe ich irgendwann ein. Hoffentlich ist der Albtraum vorbei wenn ich wieder aufwache.
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Der Tag, der mein Leben veränderte
Teen FictionAmelie ist eine 16 Jährige Teenagerin zwischen Schulstress und Elternstreit. Alles beginnt sich zu ändern, als der geheimnisvolle Junge John zu ihr in die Klasse kommt. Denn Amelie beginnt sich für den gutaussehenden Neuzugang zu Interessieren. Daz...