Kapitel 47

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Ich werde von der Sonne geweckt und mache langsam meine Augen auf. Mein erster Gedanke ist: „Juhuu, ich bin wieder frei!“ Ich bleibe noch liegen und döse noch etwas. Doch sofort sehe ich den Raum wieder. In meinem Hals bildet sich einen Klos. Erst als ich die Augen aufmache löst er sich auf. Deswegen stehe ich bald auf und betrachte mich im Spiegel. Ich bin zwar ein bisschen dünner geworden und ich sehe müde aus, aber sonst bin ich im Großen und Ganzen zufrieden. Wie in Trance ziehe ich mich an und kämme mir meine Haare. Ich merke nicht, wie ich mein Zimmer verlasse und in die Küche laufe. Dort erwarten mich meine Eltern. Mein Vater ist hier? Ich kann meine Überraschung nicht verstecken. Leider.

„Warum bist du Überrascht, Schatz?“, fragt mich mein Dad. Mein Kopf schellt sofort hoch. Als er mich das letzte Mal Schatz genannt hat, war ich bei ihm und er hat mir gestanden, dass er John erpresst hat. Kann ich es ihm verzeihen? Ich weiß es nicht. Ein Teil will ihm verzeihen, doch der andere Teil kann es nicht, weil ich dafür zu sehr verletzt wurde. So ist es auch mit John. Ich verdränge es erst mal und setzte mich an den Tisch. Ob das so eine gute Idee ist, kann ich nicht sagen. Ich nehme mir ein Brötchen, doch nachdem ich die eine Hälfte gegessen habe, habe ich keinen Hunger mehr und ich frage, ob ich in mein Zimmer darf. Meine Eltern bejahen und wie automatisch laufe ich hoch. Ich lege mich in mein Bett und starre vor mich hin. Es ist so, als alle Szenen, während ich entführt war, sich in mein Gehirn gebrannt hätten. Ich weiß alles noch genau und das ist das Schlimmste, weil ich damit einfach nicht klar komme und ich davor Angst habe das es nochmal passieren könnte. Das ist die Schlimmste Angst. Das einzige Positive was passiert ist, dass ich nicht vergewaltigt worden bin. Zum Glück bin ich davon wenigstens verschont geblieben. Doch wie lange wird es dauern bis ich wieder relativ normal leben kann? Wann traue ich mich wieder alleine raus? Wie viel Zeit muss vorbei gehen bis ich nicht mehr bei jedem Geräusch zusammenschrecke? Bis jetzt bin ich von allem dem noch sehr lange entfernt. Wieso musste das ausgerechnet mir passieren? War mein Leben davor noch nicht genug kaputt gewesen? Musste man es noch mehr zerstören? War das wirklich nötig? Es klopft an der Tür, ich erschrecke mich fast zu Tode. Die Türe wird aufgemacht und Sabrina kommt herein. Sie fragt mich ein paar Sachen, doch ich kann keine Antworten geben. Es ist fast so als mein Mund zugeklebt wäre. So geht es Tage, Wochen lang. Irgendwann verliere ich mein Zeitgefühl. Ich mache nichts anderes als zu sitzen oder zu liegen und vor mich hinzustarren und zu versuchen mit dem klar zu kommen was mir zugestoßen ist. Ich stehe nur auf um zu essen oder ins Bad zu gehen. Ich sage kaum etwas und ich sehe genau wie meine Mutter sich Sorgen macht und darunter leidet. Doch ich kann es nicht ändern und wenn ich es wollte, wüsste ich nicht wie. Wie lange wird es noch dauern bis ich wieder aus meiner Trance rauskomme? Nur noch Wochen, Monate oder sogar Jahre? Werde ich mich jemals davon erholen können? Was wenn es nicht geht? Was für einen Sinn hat mein Leben dann noch? Kann ich irgendwann überhaupt meinen Abschluss machen? Höchstwahrscheinlich muss ich sowieso diese Klasse wiederholen. Ich würde, wenn ich könnte, wieder in die Schule. Doch das hätte keinen Sinn, ich würde sowieso nichts bekommen und alle Tests versauen. Sabrina kommt immer wieder vorbei und versucht mich zum reden zu bringen. Warum versucht sie es immer noch so krampfhaft? Sie klammert sich an die letzten Hoffnungsschimmer, obwohl es nach meiner Meinung keine mehr gibt. Sie weint immer mehr und ist immer verzweifelter. Ich habe auch das Gefühl, dass sie immer weniger kommt. Ich würde ihr gerne helfen, doch ich kann es einfach nicht. Aus meinem Mund kommen einfach keine Wörter, als ich verlernt hätte zu sprechen. Kann man das? Werde ich jemals wieder reden können oder wird es immer so bleiben? Ich habe jede Nacht den gleichen Albtraum. In diesem Albtraum kommen nur ich und der Mann vor. Der Mann entführt mich wieder und macht noch viel Schlimmeres. Er schlägt mich, gibt mir schlechtes Essen und behandelt mich allgemein sehr schlecht. Immer wenn er mich gerade vergewaltigen will, wache ich schweißgebadet auf. Meistens kann ich dann nicht mehr schlafen, doch manchmal wenn ich übermüdet oder erschöpft bin, gelingt es mir wieder einzuschlafen. Mein größter Wunsch wäre es, wenn ich diesen Albtraum nicht mehr hätte und ich alles einigermaßen verarbeiten könnte. Wieso ist das nicht möglich?

John ist seitdem ich wieder frei bin nicht vorbeigekomme. Das verletzt mich sehr. Obwohl ich versprochen habe, dass ich mich bei ihm melde, könnte er auch zu mir kommen. Warum kommt er nicht? Gibt er uns keine Chance mehr? Sollte er nicht derjenige sein, der um Verzeihung bittet? Erwartet er das von mir? Aber ich kann nirgends hin, geschweige denn irgendetwas machen außer Essen und ins Bad zu gehen. Zu anderen Dingen bin ich ja nicht mal bereit. Wie soll ich mich dann bei John melden? Kann mich irgendjemand aus meiner Trance herausholen? Ist das überhaupt möglich? Wenn ja, sind es meine Eltern, ist es Sabrina oder John? Als ich eines Tages vom Essen wieder hoch in mein Zimmer gehen will und ich gerade auf der Treppe stehe, belausche ich meine Eltern. Wenn ich schon wieder belauschen kann, dann geht es mir wieder besser. Oder?

„Ich kann das nicht mehr. Es tut mir zu sehr weh sie so zu sehen. Das ist nicht mehr meine Tochter.“, sagt meine Mutter.

„Ich glaube, ganz tief in ihr ist sie noch. Man muss sie nur herauslocken.“

„Und wie soll das gehen? Ich oder wir besser gesagt, haben schon alles versucht. Was können wir denn noch machen?“

„Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich muss man ihr einfach noch mehr Zeit geben?“

„Noch mehr Zeit? Die Entführung ist jetzt schon Monate her und ich sehe überhaupt keine Verbesserung.“, ruft meine Mutter entrüstet aus.

„Vielleicht könnten wir John…..“ Meine Mutter unterbricht meinen Vater.

„Nein! Das kommt nicht infrage! Wenn sie ihn nie kennen gelernt hätte, wäre das alles nicht passiert!“

„Vielleicht würde er ihr gut tun. Das würde die letzte Chance sein.“

„Nein! Ich lasse nicht zu, dass er in ihre Nähe kommt! Auf keinen Fall!“

„Komm schon, was haben wir schon zu verlieren? Noch schlechter kann es ihr ja eigentlich nicht mehr gehen.“, versucht mein Vater meine Mutter zu überreden.

„Eigentlich? Was wenn ihr es danach noch schlechter geht oder sie nie wieder etwas sagt? Wir haben dann überhaupt nichts gewonnen, sogar im Gegenteil.“

„Dann können wir wenigstens sagen, dass wir alles versucht haben.“

„Hör auf! Für mich ist dieses Thema durch!“ Ich höre wie meine Mutter auf dem Weg Richtung Treppe ist. Ich renne schnell in mein Zimmer und lege mich auf mein Bett. Hat mein Vater Recht und könnte John mir helfen? Könnte ich durch ihn wieder reden? Oder hat doch meine Mutter recht? Würde ich, wenn ich ihn wieder sehen würde, dann gar nichts mehr sagen und würde es mir dann noch schlechter gehen? Kann es das überhaupt noch? Ja, das kann es, definitiv. Ich würde ihn so gerne sehen, auch wenn ich nichts machen kann. Hoffentlich kann mein Vater meine Mutter überreden, auch wenn die Chancen sehr schlecht stehen. Außer wenn ich…

Hey, hier bin ich wieder :) das letzte Kapitel habe ich wieder gelöscht und dieses an diese Stelle geschrieben. Ich fand das andere einfach nicht soo gut und das besser :)

Ich hab noch ein Lied hingezugefügt, ich habe es gehört während ich geschrieben habe  :))

lg eure sunshinlie bis bald :)))) <3

Der Tag, der mein Leben veränderteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt