Regen

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,,Was hörst du",Ardy riss meine Kopfhörer weg und zog sie selbst an.
,,Nice Mucke Spast",lachte er. ,,Du solltest nicht so viel Musik hören, das schädigt deine Ohren." Luca drückte mich gegen die Glasscheibe an der Bushaltestelle, während Ardy das Kabel einfach durchschnitt. ,,Fuckt doch nicht ab",murmelte ich. ,,Ey, wir wollen doch nur das Beste für dich",lachte Luca und wuschelte durch meine Haare. Ich schlug seine Hand weg und zog meine Kapuze an. ,,Habt ihr das gesehen? Er will sich wehren."
Luca schubste mich zu Taddl, mit einem Mal wurde mir schwarz vor Augen. Kurz dachte ich, ich würde einfach umkippen, aber ich hielt mich gerade noch so fest. ,,Oh, ist dir schwindelig?",fragte Taddl. Ich schloss meine Augen und versuchte wieder zu mir zu kommen. ,,Der Bus kommt, tschüss Rewi, wir sehen uns morgen Schwuchtel",verabschiedete sich Luca und ließ meinen Kopf gegen die Glasscheibe knallen. Wieder verlor ich das Gleichgewicht und setzte mich auf den Boden.
Kurz herrschte Stille. Als ich meine Augen öffnete, stand Rewi immer noch vor mir. ,,Soll ich dich mitnehmen?",fragte er. Ich sah ihn verständnislos an. Er hielt mir seine Hand hin, die ich bloß mit dem selben Blick betrachtete. Ich drückte mich von selbst hoch, vielleicht etwas zu schnell. Mein Kreislauf hatte anscheinend heute keine Lust auf mich.
Ohne reagieren zu können, klappten meine Beine unter mir wieder zusammen. Sebastian hielt mich an meinem Arm fest. Schnell befreite ich mich aus seinem Griff und drängte mich an ihm vorbei.
So schnell wie ich konnte, ging ich den Bürgersteig entlang.
Was wollte er plötzlich?
Er entschuldigt sich, schlägt mich und dann bietet er mir seine Hilfe an?
Der hat sie nicht mehr alle.
,,Jetzt warte doch mal",rief mir jemand zu. Ich verdrehte die Augen und ging einfach weiter. Rewi packte mich an der Schulter und drehte mich zu sich um. ,,Was willst du? Willst du mir noch eine verpassen?",schrie ich ihn an. ,,Das war ich nicht!",entgegnete er. Ja er hatte ja recht, aber das konnte ich ihm nicht sagen.
,,Was willst du Sebastian?",fragte ich. ,,Ich will nur einmal nett zu dir sein."
,,So läuft das aber nicht. Du kannst mich nicht zwei Jahre lang verprügeln, mich in ne verdammte Psychiatrie befördern und dann plötzlich auf unschuldig tun!",schrie ich. ,,Was hast du überhaupt in der Psychiatrie gemacht? Haben die endlich was gegen dein Schwuchtel sein gemacht?"
Ich zog die Augenbrauen zusammen. Jetzt spielte er wieder den Fiesen? Ehrlich?
Ich riss meinen Ärmel herunter und hielt ihm meinen vernarbten Arm vor die Augen. ,,Das! Das haben die versucht in Griff zu bekommen!" Augenblicklich zog ich meinen Arm zurück, doch Rewi ergriff ihn abermals. ,,Warum -?",begann er.
,,Bist du so schwer von Begriff? Wegen dir! Wegen euch allen! Wegen diesem scheiß Leben! Rewi ich hab versucht mich umzubringen!"
Ich riss meinen Arm aus Sebastians Griff, der die breite, senkrechte Narbe betrachtet hatte. Die Narbe die mich umbringen sollte.
Mittlerweile waren meine Augen mit Tränen gefüllt und meine Sicht war verschwommen.
,,Du kannst doch nicht plötzlich verstehen, dass all die Sachen die du getan hast Folgen haben! Dir darf das doch nicht erst jetzt auffallen",schrie ich ihn weiter an.
,,Ich wusste nicht wie schlimm es ist",sagte er leise.
,,Es ist schlimm! Verdammt schlimm! Was glaubst du wie es mir geht, wenn ihr zwei Jahre lang auf mich einprügelt?"
,,Ich -",begann er, doch ich unterbrach ihn.
,,Nein! Lass mich bitte in Ruhe, das macht alles nur schlimmer! Du hast mich grundlos fertig gemacht und du dachtest all die Zeit es würde mich nicht fertig machen."
,,Es war nicht grundlos."
,,Und was ist dein Grund?"
Ich war irgendwie auf alles gefasst, aber Sebastian schwieg.
,,Was für einen Grund hast du, mich zu hassen?"
Seine blauen Augen blickten umher. Am liebsten würde ich ihm jetzt meine Hand ins Gesicht schlagen. Was war der Grund, der ihn zu all dem brachte?

,,Du bist der Grund! Du fuckst ab, guck dich mal an! Wie könnte man dich nicht hassen?",schrie er dann.
Die heißen Tränen klatschten auf meine Wangen.
Verständlich, dachte ich.
Ich konnte den Mund nicht öffnen, wollte ihm anschreien, aber mir fiel nichts ein.
Ich wollte mich auf den Boden werfen, schreien und einfach nur alles vergessen was passiert.
,,Und was hat deine Meinung geändert?"
,,Nichts? Keine Lust stress zu bekommen, weil du dir ne Rasierklinge in Arm rammst. Wer kann den vermuten das du so n Feigling bist?"
Die Tränen brannten sich nur so in meine Haut. Ich könnte schwören, sie würden rote Striemen hinterlassen.
Warum war ich nicht bereit für diese Antwort - es war doch offensichtlich.
Ich drehte mich um und ging einfach weiter gerade aus. Ein paar mal schluchzte ich auf, ein paar mal blieb ich stehen, aber dann verstummte ich.

Ein Auto, eine Brücke, eine Klinge, eine  Tablette, ein Strick, eine Pistole, ein Zug, ein Meer - irgendwas.
Aber lass mein Herz bitte aufhören zu schlagen.

Einer der Gründe | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt