Keine Gründe

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,,Was?",fragte ich.
,,Ich hätte nie mit diesem ganzen Mobbing anfangen sollen!",wiederholte er.
,,Wieso hast du es dann getan?"
,,Verstehst du das nicht? Ich -",er schüttelte den Kopf.
Immer noch davon überrumpelt, dass Sebastian, der der mich seit zwei Jahren über alles hasste, geküsst hatte, stand ich auf.
,,Ich versteh dich nicht. Ich versteh nicht warum du mir das Leben zur Hölle machst",entgegnete ich.
,,Es tut mir so leid Felix."
,,Hör auf dich zu entschuldigen, du hättest jederzeit aufhören können."
,,Ich weiß. Schlag mir am Besten in die Fresse!",forderte er mich auf.
Ich schüttelte den Kopf. ,,Auf dieses Niveau falle ich nicht herab."
Rewi saß immer noch auf dem Boden und hielt sich nun die Hände vors Gesicht. Irgendwie tat er mir leid. So wie in den letzten Minuten, hatte ich ihn nie gesehen.
,,Ich hab dich fast umgebracht",murmelte er in seine Handflächen.
,,Das heißt nicht umsonst Selbstmord."
,,Aber ich hab dich dazu gebracht. Du hast selbst gesagt ich sei der Grund dafür",unter seinen Augen war alles nass.
,,Du bist einer der Gründe",berichtigte ich ihn.
,,Einer der Gründe, weshalb du dich umbringen wolltest. Dich umbringen willst!",er stand auf und zog sich den Motorradhelm an.
,,Ja, aber -",mir fiel kein aber ein. Er war einer der Gründe, sogar ein Ausschlaggebender, aber jetzt tat er mir fast leid. Er tat mir leid, weil ich ihm diese "Schuld" aufdrängte.
,,Aber ich lebe ja noch."
,,Denkst du das beruhigt mich? Es tut mir leid Felix. Du brauchst mir das nie verzeihen oder glauben, aber ich wollte nie das es so weit geht."
,,Kannst du mir nicht die Wahrheit sagen warum du es getan hast?",fragte ich nochmal.
,,Hab ich doch."
Mit diesen Worten startete er das Motorrad und ließ mich auf dem Bürgersteig stehen.
Ratlos und Ziellos, ging ich einfach die Straße weiter.
Was war nun sein Grund?
Meinte er den Kuss?
Wollte er mir damit zeigen, dass er in mich verliebt ist?
Fast hätte ich mich selbst für diesen Gedanken ausgelacht.
Sebastian, der mich hasste, sollte mich also lieben.
Allein der Satz klang unlogisch.

Ich konnte nicht nachhause, denn von dort war ich gerade weggerannt, in die Schule schaffte ich es auch nur viel zu spät und Freunde zu denen ich hätte flüchten können, gab es nicht.
Manchmal wünschte ich mir nur eine Bezugsperson. Irgendjemanden zu dem ich gehen konnte, wenn woanders kein Platz war. Jemanden der mich mochte, mit dem ich Zeit verbringen konnte und dem ich alles erzählen konnte.

Auch wenn es die schlechteste Option war, entschied ich mich für Zuhause.
Ich drehte mich um und ging die zurückgelegte Strecke wieder zurück.
Fast hätte ich es mir wieder anders überlegt, als ich die zersplitterte Flasche von vorhin am Boden liegen sah.
Ich holte meinen Schlüssel raus und drehte ihn im Schloss. Leise drückte ich die Tür auf, schlich die Treppe hoch und verschloss meine Zimmertür, sobald ich eingetreten war.
Erleichtert pustete ich die angehaltene Luft aus.
Ich ging in das angrenzende Badezimmer und betrachtete mich im Spiegel. Meine Lippe und mein Auge waren etwas angeschwollen, an meinem Wangenknochen war ein Schnitt zu sehen, der durch den Schlag von Mark entstanden sein muss. Etwas blutverschmiert, mit geröteten Augen und zerzausten Haaren, sah ich nicht gerade gut aus. Nichtmal annähernd.
Ein weiterer Grund, weshalb es mir so surreal erschien, dass Sebastian mich geküsst hatte. Egal wie lange ich suchen würde, etwas schönes würde ich nie an mir finden. Nichts in was sich jemand verlieben könnte.
Meine Augen sind braun. Glanzlos, absolut langweilig.
Meine Statur nicht gerade männlich oder sportlich, eher mager und schwach.
Meine Haare sind lockig und zerzaust.
Rewi's hingegen sehen perfekt aus.
Gestylt, ordentlich und doch weich.
Er sah sportlich aus, nicht zu dünn oder dick.
Und seine Augen sind blau. Vielleicht mit einem Hauch grün, doch in jedem Fall besonders.
Wieso küsste jemand wie er mich?
Er könnte jede Küssen - vermutlich hatte er das auch getan, aber jetzt hatten seine Lippen auf meinen gelegen. Nichtmal eine Sekunde, aber er hatte sie auf meine gedrückt.

Ich wurde das Gefühl nicht los, dass er es gegen mich benutzen wollte. Vielleicht war ich zu paranoid, um zu glauben er würde mich wirklich mögen.

Einer der Gründe | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt