Vertrauen

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  Der Regen prasselte gegen die Scheibe und lief an dieser wieder herab.
Ich hatte keine Lust auszusteigen, als der Bus an meiner Haltestelle hielt. Hier war es wenigstens trocken. Ich stand schwermütig auf und trat auf die nasse Straße. Das graue Haus war nur noch wenige Meter entfernt und immer noch war mir keine Lösung eingefallen. Ich konnte nicht reingehen, wenn ich nicht in mein Zimmer konnte. Ich müsste den Tag im Wohnzimmer bei meiner betrunkenen Mutter verbringen, die davon ausging dass es mir besser geht. Oder ich lief Mark über den Weg, der mich immer noch am liebsten tot prügeln wollte. Ich konnte ja auch nicht durch mein Fenster wieder einsteigen, immerhin lag es im zweiten Stock. 
Also setzte ich mich auf die Stufen zur Haustür und wartete. Worauf auch immer.
Und als endlich etwas geschah, wäre ich doch lieber rein gegangen.
Das Brummen verstummte an der Straße. Er  nahm den Helm ab und klemmte ihn unter seinen Arm. Kurz richtete er seine platt gedrückten Haare, dann blickte er einfach zu mir. Und ich zuckte nicht vor Angst zusammen, sondern weil ich mich fragte, wie man so gut aussehen konnte.
Kurz stellte ich mir mich in einer solchen Situation vor. Mit meinen Locken, die in meinem Gesicht klebten und dem Helm, der mir vermutlich runter fallen würde. Nein, ich könnte nie so da stehen, während die Niagarafälle über mir zusammen brachen.
,,Felix?",holte mich seine Stimme wieder in die Realität zurück.
,,Was willst du?"
,,Wieso gehst du nicht rein?"
Ich verdrehte die Augen.
,,Kann nicht rein",gab ich zu.
,,Sind deine Eltern nicht da?"
Ich schüttelte den Kopf.
,,Aber das Licht brennt in-"
,,Nein Sebastian."
Er schien zu verstehen.
,,Und jetzt willst du hier draußen sitzen, im Regen, bis..?"
,,Bis mir etwas eingefallen ist."
,,Du bist jetzt schon komplett durchnässt."
Ich verkniff mir das ,,ach wirklich?" und sah an ihm vorbei.
Konnte er nicht einfach wieder fahren? Wieso musste sein Nachhauseweg auch an meinem Haus vorbei führen?
,,Willst du mit zu mir?"
Ich blickte ihn verständnislos an.
,,Sebastian wir sind keine Freunde, du hasst mich und ich hasse dich."
,,Wie oft soll ich dir noch erklären, dass ich dich nicht hasse?"
,,Oh sorry wenn ich deine Kommentare und Schläge immer falsch interpretiert habe. War bestimmt nett gemeint, hm?"
Jetzt sah er wieder aus, als würde er alles bereuen. Und irgendwie wollte ich ihm glauben, aber er konnte es nicht ernst meinen.
,,Es tut mir leid."
,,Tut es das oder willst du mich nur benutzen?"
,,Felix es tut mir leid! Wie soll ich es dir beweisen?"
,,Nenn mir den Grund für das alles!",forderte ich ihn auf. Mittlerweile stand ich vor ihm und es machte mir keine Angst.
,,Ich war dumm okay? Ich bin zu weit gegangen und habe ich es eingesehen. Und jetzt komm bitte mit zu mir, du siehst blass und krank aus."
Ich schüttelte den Kopf.

Natürlich war das nicht die Wahrheit. Aber vielleicht musste ich ihm einmal vertrauen, um sie zu erfahren.
Dem vertrauen, der mein Leben zur Hölle gemacht hat.
Wer würde es überhaupt in Betracht  ziehen, zu so jemandem Nachhause zu gehen?
Neben ihm her zu laufen, durchnässt und mit im Gesicht klebenden Locken.

Ich.

Einer der Gründe | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt