Blau und Rot

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Ehe ich mich versah war das Wochenende vorbei und ich war auf dem Weg nachhause. Natürlich hatte Sebastian mir mehrmals angeboten einfach zu bleiben, doch ich hatte dankend abgelehnt. Denn erstens wollte ich nicht dass meine Mutter sich Sorgen machte - wenn ihr mein Fehlen aufgefallen sein sollte -, und zweitens kamen Bastis Eltern doch schon am Montag. Ich wollte wirklich nicht noch mehr Menschen vorspielen, wir wären nur befreundet. Dass ich in der Schule so tun musste wir wären verfeindet war mehr als genug - viel mehr.
Ich hatte meinen Hausschlüssel nicht dabei, also musste ich klingeln. Es dauerte etwas bis meine Mutter die Tür öffnete und mich erstaunt ansah. ,,Felix wo warst du? Du bist gestern verschwunden!",sie packte mich an meinen Schultern. Ja, sie war betrunken, vielleicht war das aber mehr meine Schuld.
,,Ich war bei einem Freund."
,,Tut mir leid wenn ich das nicht glaube",sie zog mich herein und schloss die Tür hinter uns.
,,Wo sollte ich sonst gewesen sein?"
,,Ich hatte Angst du hättest dir was getan."
,,Habe ich nicht, ich war bei einem Freund aus der Schule und ja ich kann auch mal mit jemandem befreundet sein",ich riss mich aus ihrem Griff und ging in Richtung Treppe, als sie wieder nach meinem Arm griff.
,,Aha!",sagte sie mehr als laut, als sie meinen Ärmel herunter geschoben und auf meine vernarbte Haut geblickt hatte.
,,Wieso machst du das?",jetzt schrie sie.
Ich wollte mich losreißen, doch ihre Hand umschloss mein Handgelenk etwas zu fest.
,,Das ist alt!"
,,Ist es nicht! Ich könnte dich gleich wieder in die Psychiatrie zurückschicken. Ich sollte!"
,,Nein! Mir geht es gut, du willst doch nur Zeit mit deinem scheiß Alkohol und Mark!"
Und dann klatschte sie mir eine.
Ich atmete tief ein und versuchte ihr nicht ins Gesicht zu schreien wie kontraproduktiv ihre "Hilfe" war.
,,Wie kannst du sowas sagen!",schrie sie.
,,Mir geht es gut, ich war bei einem Freund über Nacht. Lass mich einfach in Ruhe",meine Stimme war bloß ein emotionsloses Gemurmel.

Und ich wusste es gab zwei Dinge die sie nun machen könnte.
Entweder sie setzte sich aufs Sofa, greift nach dem billigen Tütenwein und schüttet ihr Glas voll, weil ihr Sohn ihr zu viel wird - oder sie ist sauer, besorgt und gekränkt und wählt die Nummer meines überkritischen Psychologen und übertreibt. Das was darauf Folgen würde, wäre ein Rettungswagen der mich gegen meinen Willen in die nächste Psychiatrie einliefern würde.

Ich setzte mich auf mein Bett und sah aus dem Fenster. Vielleicht erhoffte ich mir einwenig die zweite Variante. Denn gut ging es mir doch nicht, auch wenn heute weniger depressive Gedanken zu mir durchgedrungen waren.
Ich wollte auch nicht mehr wirklich sterben. Denn irgendwie hatte sich mein größtes Problem ja in etwas gutes gewandelt, aber es gab nunmal mehr als nur ein Problem. Zumal ich angst hatte nicht diese Geheimnistuerei aushalten zu können. Ich tat es irgendwo ja gerne für Rewi, weil er sich ja schon überwunden hatte mit mir zusammen zu kommen, aber ich wusste immer noch nicht was in der Schule auf mich wartete.
Vielleicht hoffte ich sogar eingewiesen zu werden, weg von dem Stress - dort einfach mal die Wahrheit zu sagen, sodass ich gesund entlassen werden konnte. Doch ich bezweifelte dass ich je wieder normal werden würde.

Also schaute ich weiter aus dem Fenster, wartete auf die Sirene und die blau-roten Schatten auf dem Asphalt. Aber nichts geschah und mir wurde bewusst, dass Basti nicht der einzige war, der mich in manchen Situationen einfach nicht mehr kannte.

Einer der Gründe | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt