Stolz

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Der Sonntag war relativ ruhig verlaufen, nachdem ich meine kurze depressive Phase überwunden hatte. Ich lag die meiste Zeit einfach nur mit Basti im Bett und wir unterhielten uns über Gott und die Welt. Über unsere Eltern, über Schule und diverse Freundinnen von ihm. Es wunderte mich kaum dass er fünf aufzuweisen hatte, während ich nichtmal eine vernünftige Beziehung hatte. Ich war natürlich nicht eifersüchtig oder sonst was. Er versicherte mir dass er keine Gefühle diesen Mädchen gegenüber hatte, zumindest nicht solche wie mir gegenüber und selbst wenn, war das doch hoffentlich Vergangenheit.
Wir versuchten uns gegenseitig ein wenig abzulenken, was auch geklappt hatte.
Am liebsten wäre ich länger bei ihm geblieben, aber ich wollte ihn nicht in Schwierigkeiten mit seiner Mutter bringen. Also schlief ich Sonntag auf Montag bei mir Zuhause. Hörte mir die Vorwürfe meiner Mutter an und ging Mark aus dem Weg.

Und schon war Montag.
Wieder Schule. Wieder hatte ich keine Ahnung was mich wohl erwarten würde.
Ich schulterte meinen Rucksack und öffnete gerade die Tür als mein Handy vibrierte. „Hey, was ist?",fragte ich. „Ich kann nicht gehen",seufzte Basti. „Doch kannst du. Wenn du willst fahren wir zusammen und ich warte an der Bushaltestelle."
„Nein, im Bus sind Taddl und so."
Er vermied es über Luca zu reden.
„Und Motorrad?"
Ich hörte ihn ein- und ausatmen.
„Ich hol dich ab."
Mein Handy verschwand wieder in meiner Jackentasche und ich trat aus dem Haus.
Egal ob mit Freund oder ohne, es war jeden Morgen eine Tortur. Es dauerte eine Weile bis ich die Tür hinter mir zuzog und bereit war für die Schule.
Ja, es war vorbei. Mich würde keiner Schlagen, er würde mir nicht mehr körperlich weh tun, aber es bleibt in meinem Gedächtnis. Ich spüre es auf meiner Haut und es wird ewig dauern bis ich die Angst vor diesem Ort los werde.

Bis Basti da war vergingen einige Minuten und fast hätte ich geglaubt er hätte gekniffen, da stoppte er mit seinem Motorrad vor mir.
„Hey",begrüßte er mich und küsste mich kurz. „Hey, ehm, soll ich da jetzt drauf mitfahren?",fragte ich. „Ja." Er setzte seinen Helm ab und drückte ihn mir in die Hände. „Und du?" „Ich glaube du brauchst den mehr als ich",grinste er und ich schüttelte bloß den Kopf. Etwas unbeholfen kletterte ich hinter meinen Freund auf das Fahrzeug und legte meine Hände auf seine Schultern. „Du solltest dich schon besser festhalten",er griff nach meiner Hand und legte sie an seinen Bauch, den ich daraufhin fest umschloss. Ich musste zugeben dass ich einwenig Angst hatte. Ein Knacken erklang und schon fuhren wir los.
Ich wollte ihm irgendwas sagen, doch das Brummen war so laut dass er es wahrscheinlich nicht hören konnte. Also drückte ich mich an ihn und ließ die Fahrt über mich ergehen.

Zum Glück waren wir schnell da. Er parkte auf seinem üblichen „Parkplatz" und wir stiegen ab. Schnell scannte er seine Umgebung ab, während ich den Helm abnahm. Kein Luca, kein Taddl, kein Ardy und kein anderer in Sichtweite, außer den weniger wichtigen Mitschülern.
„Ich hab das Gefühl ich könnte ihnen nicht unter die Augen treten",murmelte mein Freund. „Ja, aber du hast nichts falsches gemacht."
Er nickte, nahm mir den Helm ab und ging neben mir her auf das Schulgebäude zu. Ich spürte die Blicke auf uns, die fast jede unserer Bewegungen abscannten. Ich fasste mir instinktiv an den Hals. Scheiße den hatte ich fast vergessen. „Ey, kann man den Knutschfleck noch sehen?",flüsterte ich Basti zu. Seine Augen fixierten flüchtig meinen Hals, dann nickte er. „Shit." „Was du nicht sagst",er klang nervös. „Aber die wissen doch sowieso das wir zusammen sind",entgegnete ich. „Ja aber das müssen wir nicht präsentieren als wären wir stolz darauf."
Ich ließ meine Hand auf meinem Hals liegen und ging schweigend neben Basti her.

Ich glaube er hatte nicht bemerkt, was er eigentlich gesagt hatte. Ich glaube selbst wenn, würde er es nicht zurück nehmen.
Er betrachtete es immer noch wie einen Fehler. Uns hielt er immer noch für einen Fehler.
Ich wollte gerade nur von ihm weggehen und ich glaube er wollte es sogar noch mehr.

Einer der Gründe | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt