Freitag

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Am Mittwoch wollte ich nicht aufstehen.
Am Donnerstag auch nicht.
Der Mittwoch war ein einziges Ritzen und Heulen.
Den Donnerstag hatte ich verbracht ohne einmal aufzustehen.
Erst am Freitag - gegen zehn Uhr, unterbrach ich die Monotonie.
Ich machte mir nicht die Mühe duschen zu gehen und zog mir nur schnell eine andere Hose und einen herumliegenden Pullover herum. Ich rauchte die letzte Zigarette auf, die von den drei Packungen übrig geblieben war.
Ich sah keinmal in den Spiegel, vielleicht hätte ich einen Rückzieher gemacht.
Ich musste heute zur Schule, weil ich sonst zum Arzt gemusst hätte.
Eigentlich war es mir ziemlich egal, doch man würde meine Schnitte sehen und meinen Psychologen anrufen.
Also verließ ich das Haus und nahm den Geruch von Rauch mit. Ich setzte mich in den nächsten Bus, auf irgendeinen Platz.
Fast hätte ich vergessen auszusteigen, weil ich nicht auf die Umgebung achtete, die an mir vorbei zog. Dann ging ich mühselig auf das Gebäude zu und trottete das leere Treppenhaus hoch.
Ich stand vor der Tür und atmete wenige Sekunden vor mich hin.
Worauf ich mich auch immer vorbereitete, es würde mir sowieso in die Fresse schlagen.
Ich öffnete die Tür, gerade war vielleicht die dritte Stunde, und setzte mich auf meinen Platz.
Selbst wenn irgendwer irgendwas gesagt hatte,  ignorierte ich es.
Ich ignorierte alles was um mich geschah.
Würde ich das nicht tun, würde ich ihn sehen. Ihn hören.
Und das konnte ich nicht.
Mein Blick lag auf meinen Händen, die gefaltet auf der beschmierten Tischplatte lagen.
Auf den roten Punkten, die von unzähligen Zigaretten stammten.
Meine Augen taten unheimlich weh und das nicht nur von der Müdigkeit.
Ich hatte das Gefühl all das Wasser, das sich in mir befand, ausgeheult zu haben.
Aber ich fühlte mich nicht leichter.

,,Felix?"
Ich blickte weiter auf die Kritzeleien, ließ die Stimme bloß reden.
,,Es ist Pause, willst du nicht runter gehen?"
Der schwarze Rock stellte sich vor meinen Tisch und ich zwang mich die Lehrerin anzusehen.
,,Geht es dir nicht gut?"
Doch. Ausgezeichnet.
Ich stand auf und zog meine Kapuze hoch. ,,Ich bin okay",murmelte ich und verließ den Klassenraum.
Mein Kreislauf rebellierte, dabei war mir es mir gleich ob er gewann.
Lieber lag ich tot auf dem Boden als in der selben Welt wie er zu laufen.

Die Pause verbrachte ich an irgendeiner Wand gelehnt, die sich mir irgendwann in den Weg gestellt hatte.
Die nächsten zwei Stunden mit der Mühe meine Augen offen zu halten.

Dann stand ich wieder auf, zog mir wieder die Kapuze über und verließ nicht als letzter den Klassenraum.
Ich hörte die Schritte nur wenige Meter hinter mir, doch ich beschleunigte nicht.
Vielleicht würde es mir sogar einfacher fallen, wenn er mich verprügeln würde.
Vielleicht würde sein Hass, meine Liebe zu ihm wieder verschwinden lassen.
Wieso war er weg, die Gefühle aber nicht?
Ich blicke nicht durch.

Ich blieb also stehen und drehte mich um.
Ich schaffte es nicht den Kopf zu heben, sah nur den grauen Asphalt.
Ich wusste das Thaddeus, Ardy und Luca dabei waren.
Sie sagten irgendwas.

,,Wo warst du die letzten Tage Hardy?"

Einer der Gründe | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt