Ein Auto, ein Fluss, eine Klippe.

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„Oh, hey erstmal",sagte ich als Felix den Helm abnahm und mir einfiel, dass wir uns noch gar nicht richtig begrüßt hatten.
Ich küsste ihn kurz - wie ich dieses Gefühl liebe. 
„Hey",grinste er. 
Meine Mundwinkel zuckten und ich konnte nicht anders als mich nochmals zu ihm zu beugen und ein zweites Mal die Wärme in mir explodieren zu lassen.

Ich war einfach froh ihn hier zu haben.
Er war hier, er atmete und er liebte mich.
Ich verstand zwar immer noch nicht warum, immerhin war ich eine lange Zeit sein schlimmster Albtraum -
aber ich liebte ihn, so richtig.
Er war der Mensch bei dem ich mir sicher war.
Er war der einzige und ich konnte mir nicht vorstellen jemals jemanden so lieben zu können.
„Wofür war das?",fragte er, seine Wangen erröteten immer noch jedes Mal.
„Für dich und deine Anwesenheit."
Er rollte mit den Augen. „Spasti."
„Ach fresse",ich schüttelte den Kopf und nahm ihm den Helm ab den er immer noch in der Hand hielt.
Mein Blick schweifte zum Eingang meines Zuhauses und es dauerte keine Sekunde, da lösten sich meine Finger vom Plastik des Helmes und mit einem dumpfen Knall fiel er zu Boden.

nein
oh mein gott nein

„Nein",war das einzige was meine bebenden Lippen herausbringen konnten.
Ich konnte keine Luft einatmen und keine aus.
Alles in meinem Körper zog sich zusammen.
Jede Ader, jeder Muskel, jede Zelle.
Ich hatte das Gefühl mich aufzulösen, vielleicht wollte ich es auch einfach nur.
Weg von hier.
Mein Herz war das einzige was reagieren konnte, ansonsten war ich erstarrt.
Es schlug und schlug gegen meine Rippen.
Ich konnte nicht atmen, ich bekam keine Luft unf gleichzeitig hob und senkte sich mein Brustkorb viel zu schnell.

Und dann war da einfach nur Schmerz.

Und ich wusste nicht woher er kam.
Ich konnte nichts sehen, ich konnte nicht nachdenken.

„Mein Sohn ist keine Schwuchtel!"

Mein Vater stand vor mir.
Oder eher über mir, denn ich lag auf dem gepflasterten Bürgersteig.

„Was soll das?"
„Was soll das Sebastian?"

Mein Vater hatte mich nie verletzt.
Nicht ein einziges Mal hat er seine Hand gehoben.
Vielleicht weil er zu selten da war.
Vielleicht weil er keinen Grund hatte.

Doch jetzt hatte er mir weh getan.

„Gib mir eine Antwort!"

Ich konnte nicht. Ich konnte meinen Mund nicht aufmachen.

„Bist du taub?"

Ich wünschte ich wärs.

Er verschwand aus meinem Blickfeld und ich sah nur noch den blauen Himmel.

Er lachte.

„Das ist nicht wahr."

Seine Hand packte nach meinem Pullover und zog mich daran hoch.

Ich wollte schreien.
Ich kannte diesen Mann nicht, er war mir fremd.

„Sag mir sofort dass das nicht wahr ist!"

Seine Augen waren blau wie meine,
meine Augen hatte ich von ihm.

Und ich wollte nicht, aber plötzlich wurde mir etwas klar.

Ich hatte nicht nur meine Augen von ihm.

Er war mir nicht fremd.
Ich sah diesen Menschen jeden Tag im Spiegel.

„Du hast fünf Minuten um deine Sachen zu packen, danach will ich dich nie wieder sehen",er ließ mich los und ein zweites Mal fühlte ich den Asphalt unter meinen Händen.

Und er ging einfach weg.
Er stieg ins Auto und fuhr aus der Einfahrt.

„Basti",riss mich eine stotternde Stimme aus meiner Starre.
Ich sah nach links und guckte in Felix Gesicht, welches auf der selben Höhe wie meines war.

„Hat er dir irgendwas getan?"
Er schüttelte den Kopf.

Ich stützte mich vom Boden auf und spürte auf einmal eine warme Flüssigkeit an meinen Lippen.

Hatte er mich wirklich geschlagen?

Ich wischte das Blut aus meinem Gesicht und ging über die Wiese zur Haustür, die immer noch offen stand.

Ich betrat das Haus und ging die Treppe hoch zu meinem Zimmer.
Ich drehte den Rucksack um, den ich immer mit zur Schule nahm und ließ die Bücher und Hefte auf den Boden fallen.
Dann öffnete ich die Schubladen meiner Kommode und packte achtungslos irgendwas ein.

Ich konnte nicht glauben was gerade passiert war.
Ich konnte einfach nicht realisieren was mein Vater gerade getan hatte.

Wie konnte etwas gerade wieder gut gewordenes, so schnell wieder in tausend Teile zerfallen?

Meine Faust flog in den Spiegel an meiner Wand.

Nichts.

Immer noch war alles zu weit entfernt.

„Basti was machst du?",schrie meine Schwester, die plötzlich im Türrahmen stand.
Ich achtete gar nicht erst auf sie, ich hob den Rucksack vom Boden auf und ging an ihr vorbei die Treppe runter.

„Was wird das?"

Ich knallte die Tür hinter mir zu und stieß mit Felix zusammen.

„Was hast du gemacht?", fragte er erschrocken und versuchte nach meiner Hand zu greifen, aber ich ging einfach weiter.

„Basti wohin willst du? Du kannst mit zu mir!"

Er wusste genauso gut wie ich dass das keine Möglichkeit war.

Ich hob den Helm vom Boden auf, zog ihn an und setzte mich auf mein Motorrad.

Dieses Mal war ich derjenige der am liebsten tot wäre.

Ein Auto mit dem ich zusammenstoßen könnte.
Ein Auto, ein Fluss, eine Klippe.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 28, 2018 ⏰

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