Ich hatte an jenem Tag nicht mehr viel gemacht.
Ich hatte auf meinem Bett gesessen, nachdem ich einfach aus der Schule abgehauen war.
Ich hatte WhatsApp gelöscht, um Nachrichten von Rewi zu vermeiden.
Letztlich habe ich mich wieder geritzt.
Immerhin hatten sie mir die Klinge doch genau aus dem Grund auf meinen Platz gelegt, oder?
Ich hatte natürlich nicht diese Klinge benutzt, die lag immer noch auf dem beschmierten Tisch.
Ich hatte eine frische aus der Schutzfolie gepackt und an mein Handgelenk angesetzt.
Ich hatte einige Male tief geschnitten,
und einige Male bloß oberflächlich.
In jedem Fall hat es nicht geholfen.
Ich fühlte mich ausgelaugt und
ertrunken.
Ich wusste nicht was ich anfangen sollte und am liebsten hätte ich mich gleich umgebracht.
Ich hatte sogar ernsthaft darüber nachgedacht.
Die Kommode vor die Tür geschoben, die Klinge an die Pulsader gesetzt und gedrückt.
Doch der Druck fiel ab als ich wieder in Tränen ausbrach.
Dabei fühlte ich mich nicht einmal traurig.
Nicht glücklich.
Nein ich wusste nichtmal warum genau ich weinte.Weil die Anderen alles wussten?
Weil Basti es ihnen verraten hatte?
Weil sie eine Klinge auf meinen Tisch gelegt hatten?
Weil Basti nichts getan hatte?Vielleicht weil ich wusste dass es nie vorbei gehen wird.
Vielleicht alles zusammen.--
Und als der nächste Tag anbrach, wollte ich nicht aufstehen.
Ich wollte nicht.
Alles in mir hat sich dagegen gewehrt.
Warum sollte ich auch gehen?
Mich erwartet niemand in Hoffnung, auf mich freut sich niemand.
Ich kann fehlen und für jeden beteiligten ist es positiv.Ich muss ihn nicht sehen.
Und er mich nicht.Also verbrachte ich auch den gesamten Dienstag in meinem Bett.
Mit Musik auf den Ohren, die durch meine alten Kopfhörer strömte.
Mit dem Blick auf die Decke gerichtet.
In Gedanken nur bei Basti.
Und es machte mich wahnsinnig an ihn zu denken.
Ich wollte nicht, doch immer wieder sah ich wie er seinen Blick abwandte.
Wie er meinen Augen auswich.
Und dass nicht nur gestern, er hatte es immer getan.
Ich würde es gerne auf Schuldgefühle schieben, so wie er es mir erklärt hatte, doch das war nicht sein Grund.
Er kannte mich einfach nicht mehr.
In jenen Sekunden war ich bloß ein Opfer - verprügelt und ausgelacht.
Ob von ihm oder anderen.
In dem Moment war ich niemand mehr für ihn, niemand dem man in die Augen sah.Und manchmal legte ich mein Handy
beiseite und starrte in die Leere, denn irgendwann nervte mich auch die Musik.
Allgemein fühlte ich mich weder lebendig noch tot.
Denn wär ich lebendig würde ich nicht so fühlen und wär ich tot würde ich nicht fühlen.
Schwierig, dachte ich.
Offensichtlich war der Tod die einzige Auswahlmöglichkeit der beiden Zustände, denn lebendig konnte ich nicht plötzlich werden.
Aber ich bewegte mich nicht und sank immer tiefer in die Müdigkeit, die sich in mir ausbreitete.
Ich versuchte nicht meinen Mut zusammen zu nehmen und die Klinge durchzuziehen.
Ich wünschte ich hätte den Mut gehabt.
Ich will keinen Tag mehr hier verbringen.
Denn sogar wenn alles gut scheint, zerfällt es wieder zu staub.
Letztlich endet es immer gleich.
Mit mir, allein auf meinem Bett, mit frischen Schnittwunden.
Ich verstehe nicht, wieso ich es nicht beenden konnte.Irgendwann, es musste nachmittags sein, klingelte er an meiner Haustür.
Und ich stand widerwillig auf, denn das letzte was ich wollte war ihn sehen.
Aber ich ging runter zur Tür.
Ich wollte seine Ausreden nicht hören.
Ich wollte die Wahrheit hören.
Vielleicht wollte ich ihn auch einfach nur umarmen.
,,Hey."
Ich schluckte, bekam aber kein Wort raus, also nickte ich bloß.
,,Es tut mir leid."
Ich wollte ihn fragen, was ihm denn leid tat, doch ich wusste nicht wie. Mein Herz schlug und schlug.
,,Ich wusste nicht dass sie sowas machen würden."
Und er rechtfertigte sich bloß für die Tat seiner Freunde.
,,Es tut mir leid, dass ich es ihnen gesagt habe."
Ich sah zu ihm hoch und wollte einfach nur in Tränen ausbrechen. Nicht wegen seinen Entschuldigungen, einfach nur so. Einfach nur weil ich mich so fühlte. Weil ich bis vor kurzem noch dachte, dass ich mich bei ihm ausheulen konnte.
,,Wieso hast du nichts gemacht?",fragte ich und erschrak selbst als ich meine kaputte Stimme hörte.
,,Ich weiß nicht."
,,Ich wollte, aber ich konnte nicht",ergänzte er.
Mein ganzer Körper fühlte sich so schwer, als würde ich jeden Moment einfach nur nach vorne kippen.
Ich wollte zusammenbrechen.
Ich brach zusammen.
Aber das konnte er nicht sehen.
Wie auch?
Ich stand bloß im Türrahmen und sah fertig aus, doch das tat ich immer.
,,Meinetwegen sage ich es ihnen."
Ich schüttelte den Kopf und sah ihn an.
,,Aber das willst du doch oder?"
,,Ich will das du es willst."
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Einer der Gründe | Rewilz
أدب الهواةJemandem den man liebt, bricht man das Herz, nicht die Nase. Als Felix nach langem Fehlen wieder in der Schule auftaucht, verändert sich einiges in seiner sonst so tristen Welt. Rewi, der ihn sonst nur für dumme Kommentare oder Schlimmeres ansprach...