Ich lasse dich nicht gehen

1.2K 109 3
                                    

Ich blinzelte ein paar mal.
,,Felix?",erklang wieder seine Stimme.
Ich machte meine Augen auf und sah mich um. Schnell setzte ich mich auf, als ich Sebastian neben mir erkannte. Ein Stechen durchfuhr meinen Kopf und ich kniff meine Augen wieder zusammen.
,,Du bist umgekippt",sagte er.
Ich nickte und meine Wangen erhitzen. Wieso musste mir sowas hier passieren?
,,Komm steh erstmal vom Boden auf",er reichte mir die Hand und zögerlich ergriff ich diese. Wackelig stand ich auf und ließ mich von Rewi zu seinem Bett ziehen.
Langsam hörte das Drehen auf und die Hitze, die in mir aufgestiegen war, kühlte ab.
,,Hier",er drückte mir eine Wasserflasche in die Hand. Etwas misstrauisch nahm ich einen Schluck. Ich hatte wirklich vergessen die letzten Tage etwas zu trinken. Oder etwas zu essen.
,,Geht's wieder?",fragte er.
Ich bejahte und kurz machte sich eine unangenehme Stille breit, die jedoch nicht langwierig war.
,,Willst du was essen?",fragte er.
,,Nein, danke."
Er zog eine Augenbraue hoch. ,,Du lagst gerade bewusstlos auf dem Boden."
Ich zuckte mit den Schultern.
,,Kannst du wieder aufstehen?"
Vorsichtig versuchte ich auf beiden Beinen zu stehen, was bis auf den Schmerz in meinem Knöchel, ohne Probleme ging.
,,Okay, dann komm."
Ich folgte ihm die Treppe wieder herunter, in einen Raum, der definitiv die Küche war.
,,Setz dich hin",er zog einen der Stühle vom Tisch und ich setzte mich darauf. Mein leises ,,Danke", hatte er hoffentlich gehört.
,,Also",begann er und öffnete einen der weißen Schränke. ,,Ich kann Nudeln machen oder-."
Er stellte ein Paket Spaghetti auf die Theke und öffnete den nächsten Schrank.
,,Nein, ich kann nur Nudeln kochen",sein Lachen ließ auch meine Lippen zucken.
,,Danke, aber ich hab echt keinen Hunger",sagte ich.
Er verdrehte die Augen, ignorierte meine Aussage und stellte einen Topf unter den Wasserhahn.
Ich beäugte währenddessen die Fotos, die eingerahmt an der Wand hingen. Darauf waren Sebastian, seine Eltern und vermutlich seine Schwester zu sehen. Zumindest kannte ich sie von der Schule. Sie war zwei Klassen unter uns und hieß glaube ich Sophia oder Sophie.
Ich erschrak, als Sebastian sich plötzlich auf den mir gegenüberliegenden Stuhl warf. ,,Hast du Geschwister?",fragte er und folgte meinem Blick auf die Fotos.
Ich schüttelte den Kopf. Ganz sicher, ob ich das gut oder schlecht fand, war ich mir nicht. Denn hätte ich zum Beispiel eine kleine Schwester, wäre ich einerseits weniger allein, doch andererseits müsste sie diese Hölle zuhause auch mit durchstehen.
,,Wie war es in der Psychiatrie?"
Ich richtete meinen Blick jetzt wieder auf ihn. Verwundert und zugleich etwas wütend, wollte ich die Frage ignorieren. Doch er wartete auf meine Antwort.
,,Es war nicht schlimm",sagte ich, um seine erkennbaren Schuldgefühle und seine Angst zu besänftigen.
,,Hast du Medikamente und sowas bekommen?"
,,Klar. Antidepressiva und so n' Zeug."
,,Sorry."
Ich nickte, fast schon unbewusst. Als würde ich glauben, dass ihm das alles Leid tat.
Vielleicht sagte er auch einfach die Wahrheit.
Ein paar Minuten vergingen, in denen wir uns einfach schweigend gegenüber saßen. Erst als das Wasser der Nudeln überkochte, stand Rewi auf.
,,Und du willst sicher nichts?",fragte er wieder und holte einen zweiten Teller aus dem Schrank.
Ich schüttelte dem Kopf und blickte auf die Uhr. 16:22. ,,Vielleicht sollte ich auch gleich mal wieder gehen",sagte ich. ,,Felix, ich lasse dich sicher nicht gehen, wenn du entweder vor deinem Haus nass oder darin von deinem Vater zusammengeschlagen wirst."
,,Also bleibe ich besser bei dem, der mir zwei Mal die Rippen geprellt hat?"
Er drehte sich wieder von mir weg.
Vielleicht war der Satz ein bisschen Überflüssig.
,,Sorry",fügte ich hinzu.
,,Außerdem schlägt mein Vater nicht."
,,Naja, Taddl, Ardy, Luca oder ich waren das nicht",sagte er. ,,Das waren die Anderen doch nicht oder?"
Ich schüttelte den Kopf
,,Also?",begann er und lehnte sich an die Theke, mit einem Teller Spaghetti in der Hand.
Ich schüttelte den Kopf.
Denn erstens, war Mark nicht mein Vater und zweitens, wollte ich über sowas nicht mit Sebastian, der mich schonmal bewusstlos geschlagen hatte, reden.
,,Aber-"
,,Lass es Sebastian",unterbrach ich ihn.
Er seufzte.
,,Gehen lass ich dich trotzdem nicht."

Einer der Gründe | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt