Gene

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„Denkst du die kommen irgendwann damit klar?",fragte er.
„Keine Ahnung."

Glaubst du du kommst irgendwann damit klar?

Nachhause war ich mit dem Bus gefahren. Er hatte zwar nachgefragt, warum ich nicht mit zu ihm wollte, doch meine Ausrede nahm er hin.
Ich war nicht sauer auf ihn, nein, ich war verletzt. Meine Stimmung war ins Minus gesunken und dann konnte ich nunmal nur alleine sein. Meine Gedanken würden in seiner Anwesenheit nur noch unerträglicher sein.
Vielleicht war ich auch ein bisschen sauer, weil er immer noch nicht verstanden hatte wie viel seine Worte anrichten konnten. Wie sehr sie schmerzten.

Also stieg ich aus dem Bus aus und blieb vor dem grauen Haus stehen. Aus dem inneren tönte Geschrei, welches ich eigentlich gewohnt war.
Ich konnte die Worte zwar nicht entziffern, doch es klang eindeutig nicht nach meiner Mutter. Es war also Mark, der allem Anschein nach ausrastete. Ich überlegte mir erst gar nicht die Tür zu öffnen, sondern doch zu Basti zu gehen, aber letztlich stand ich im Flur des grauen Hauses.
„Ach halt die Fresse",war der erste Satz, den ich verstand, mehr oder weniger. Er klang betrunken. Es dauerte keine Sekunde, da kam er auch schon aus der Küche. Als er mich sah, drückte er mich gegen die Wand. Seine Faust traf mich in den Bauch und ins Gesicht. Irgendwas hatte er dabei noch geschrien, doch ich hatte es nicht verstanden.
Als ich meine Augen wieder öffnete war er aus der Tür verschwunden. Ich stützte mich vom Boden hoch, auf den ich gesunken war und sah ich in die Küche. Am Tisch saß meine Mutter, heulend. Ich kannte diese Art von Situation nur zu gut und ich wusste das ich bei sowas nicht hilfreich war. Dinge wie; „Du hättest ihn schon längst verlassen sollen." „Er tut dir nur weh, es klappt einfach nicht mit euch." Würden es nicht besser machen.

Also ging ich ins Wohnzimmer und hob alle möglichen - nicht nur leeren - Verpackungen und Flaschen auf, um sie in einen Müllsack zu schmeißen. Sie brauchte sich jetzt nicht noch mehr zu betrinken.
Ich machte die Fenster auf und steckte letztlich einen Schlüssel von innen auf die Haustür, so konnte er wenigstens nicht sofort rein kommen. Denn er kam immer zurück, auch wenn er meiner Mutter klar machte dass er keine Lust mehr auf den scheiß hier hat.
Und dann ging ich endlich die Treppe hoch. Denn eigentlich wollte ich heute nichts mehr machen, außer Musik hören. Mein Körper schmerzte und mein Herz sowieso. Denn immer noch hatte Basti heute morgen wieder das falsche gesagt, oder hatte er recht. Ja er hatte recht.
Unsere Beziehung war nichts auf das man stolz sein kann. Nichts was man der Öffentlichkeit präsentiert.
Ich war niemand auf den man stolz sein kann.
Das hatte er gesagt.
Das hatte er immer gesagt und ich stimmte ihm bei jedem Punkt zu.
Unser Outing war ein riesiger Fehler.
Unsere Beziehung.
Ich verstand nicht wieso er es dann noch wollte, was hatte er von einer Beziehung, die er für falsch hielt?

Am liebsten hätte ich ihn zur Rede gestellt, doch letztlich würden entweder er oder ich Schluss machen und spätestens nach einer Woche wieder zusammenkommen.
Denn ich liebte ihn und wollte nicht ohne ihn.
Ich würde ihn immer zurücknehmen, ich würde ihm jedes Wort verzeihen, jeden Schlag.

Ich war nicht besser als meine Mutter.

Einer der Gründe | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt