Rehe und Jäger

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P.o.v.: Rewi

Ich lehnte mich gegen die Küchentheke und schloss meine Augen. Ich spürte die heißen Tränen an meiner Wange -wie sie herunter liefen und hörte wie sie auf dem Fliesenboden zersprangen.
Am liebsten wäre ich einfach aus dem Haus gerannt, ganz weit weg. Aber es war nunmal mein Haus und Felix war hier und er brauchte mich. Auch wenn ich das mittlerweile anzweifelte.

Wie konnte ich bloß auf die Idee kommen ihn wieder zu küssen? Er ist fertig mit den Nerven, seine ganze Welt ist im Arsch und dann kommt sein schlimmster Albtraum und drückt ihm die Lippen auf den Mund.
Ich wartete nur auf das Zuknallen der Haustür, aber es geschah nichts.
Er saß vermutlich immer noch auf dem Ledersofa und fragte sich, seit wann ist Sebastian ne Schwuchtel ist.

Dumm.
Da vertraute er mir endlich, schon mache ich mit einer Geste alles zunichte.

Naiv.
Er würde nie jemanden lieben können, der ihn in den Selbstmord getrieben hat.

Leichtsinnig.
Ihn zu küssen, wenn sein Leben sowieso schon im Chaos versunken war. Er brauchte nicht noch die Liebe seines Mobbers.

,,Ist alles okay?"
Ich schaute auf. Felix stand in der Tür und ging wie in Zeitlupe auf mich zu, als würde er mich nicht verschrecken wollen.
Als wäre ich das fucking zerbrechliche Reh und er der Jäger.

Dabei war es andersrum.
Ihm ging es scheiße.
Ich habe ihn gejagt und er ist daran zerbrochen.

Seine Hand lag mittlerweile auf meiner Schulter und sein Blick war mitleidig.

Ich hätte schreien können,
sei nicht so scheiße süß zu mir.

Lach mich aus.
Nenn' mich Schwuchtel, wie ich es grundlos bei dir gemacht habe.
Du hast 'nen Grund, schlag mich.

Bitte hab kein Mitleid,
ich hatte es immer erst, wenn du geblutet hast.
Als du zurück warst.
Als du bereits versucht hattest dich umzubringen.

Aber meine Lippen blieben geschlossen. Stumm perlten die Tränen von meinem Kinn ab und verschwanden in der bodenlosen Tiefe.

So fühlte es sich an, wie als wäre der Boden unter mir weggerissen.
Er stand da und tröstete mich.
Während seine Lippe blutete und sein Auge immer mehr anschwoll.
Seine Narben unter dem dunkelblauen Pulloverärmel verborgen waren
und er in der Depression ertrank.

Er stand vor mir, obwohl ich der Grund für seine Probleme war.
Ich müsste ihn trösten.
Jahre lang, um alles gut zu machen, was ich getan hatte.

,,Es tut mir so leid",es war nur ein Flüstern.

Seine Augenbrauen zogen sich noch mehr zusammen, dann schüttelte er einfach nur den Kopf.

Seine Arme schlangen sich um meinen Körper und ich wollte ihn wegdrücken.
Egal wie gut es sich für mich anfühlte, es musste für ihn doch die Hölle sein.

Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter.

Er war zu gutmütig, um mich allein zu lassen.
Aber er sollte wegrennen.

Denn jeder wartet darauf, dass der Jäger wieder schießt.
Denn das machen sie so.

Einer der Gründe | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt