Zurück in der Welt

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P.o.v.: Felix

Als es zur Pause klingelte, blieb ich zunächst weiterhin auf meinem Platz sitzen. Ich wartete darauf, dass ich als letzter gehen konnte, um in keine schmerzhaften Situationen zu gelangen. Bisher war mein erster Tag nichtmal so schlimm. Natürlich konnten sich manche ihre Kommentare nicht verkneifen, aber dass Sebastian mich bisher in Ruhe gelassen hatte reichte mir.
Ich stand also auf, schulterte meinen Rucksack und verließ den Raum. Zu meinem Pech stand mein persönlicher Albtraum mit seinen Freunden da und wartete auf mich. Zu früh gefreut, dachte ich und drehte ihnen schnell den Rücken zu. Hastig ging ich den Korridor entlang, doch schon hatte mich einer von ihnen an meinem Rucksack zurückgezogen.
,,Hardy",grinste Luca und legte den Arm um mich. ,,Wir haben dich vermisst."
Ich schluckte - es war klar das sich nichts ändert, geschweige denn besser wird.
,,Rewi willst du deinen besten Freund nicht begrüßen?",fragte er Sebastian ironisch, der zu meiner Verwunderung nur mit den Augen rollte. ,,Keine Lust meine Pause mit dem Opfer zu verschwenden, später."
,,Du hast es gehört ",flüsterte Ardian in mein Ohr und schubste mich dann weg.
Ohne der Gruppe - die ausgiebig lachte, noch einen Blick zuzuwenden, ging ich die Treppe herunter auf den Schulhof. Verwundert über das so ungewöhnliche Verhalten von Rewi, der sonst so viel spaß an jeglichem Verletzen meinerseits hatte, öffnete ich die Tür zu den Toiletten.
Vielleicht hatte er sich ja auch über die drei Monate verändert - auch wenn ich es nicht wirklich getan hatte. Kopfschüttelnd verneinte ich meine Gedanken. Rewi hatte mich seit Jahren gehasst, sowas legt sich nicht einfach.
Ich betrat eine leere Kabine und setze mich auf den geschlossenen Klodeckel. Mit Musik in den Ohren verbrachte ich oft meine Zeit hier. Erbärmlich, wenn man darüber nachdachte. Keine Freunde, keine Menschen die einen Fragen wie es einem geht und keinen den auch nur annähernd meine Anwesenheit interessiert.
Ich fragte mich, wie lange es gedauert hat bis Rewi gemerkt hatte, dass sein persönlicher Boxsack nicht mehr da war. Ich glaube manche hatten bis heute meine Abwesenheit nicht mitbekommen. Ich war nunmal unsichtbar und höchstens zum draufschlagen gut.
Ich stützte meine Ellenbogen auf meinen Knien ab und legte meinen Kopf in meine Hände. Die Müdigkeit machte sich in mir bereit. Leider konnte mich jener nicht mehr hingeben, da die zehnminütige Pause schon länger mit einem Klingeln beendet war. Seufzend stand ich auf und öffnete die verschlossene Toilettentür. Der Hof war bereits bis auf ein paar Schüler leer. Menschen die ich schon seit Jahren bei Namen nennen konnte, die mich noch nie angesehen hatten. Es sei denn sie hatten mal zugesehen als ich verprügelt wurde.
Schwermütig stapfte ich die Treppenstufen hoch. Bis auf die Lehrer kannte Niemand den Grund für mein Verschwinden, wen sollte es auch interessieren? Zugern hätte ich jemandem mein Herz ausgeschüttet, doch sowas konnte ich nunmal nicht machen, ohne das mein Gegenüber in Gelächter ausbrechen würde - und ich brauchte erstmal einen Gegenüber.
Ich betrat den Kunstraum und blickte erneut in eine Menge von mich anstarrenden Gesichtern. Kannten sie überhaupt meinen Namen?  Ich wandte meinen Blick zum Boden und setzte mich in die hinterste Ecke. Meine Kopfhörer ließ ich einfach in meinen Ohren, soll die Lehrerin mich doch dafür zum Direktor schicken, ich hatte damit kein Problem mehr. Andererseits hatte ich keine Lust auf das Lachen meiner Mitschüler, also packte ich meine einzige Zuflucht weg.
Dass Rewi mich die ganze Zeit beobachtete versuchte ich so gut es eben ging zu ignorieren. So wie die nassen Farbtropfen, die immer wieder ihren Weg in mein Gesicht fanden. Kindisch, dachte ich.
Verdient, dachte ich.
Irgendwann nahm ich nur noch Pinsel wahr, die nach mir geworfen wurden und die darauffolgenden Lacher und die Gratulationen für den Treffer. Max hatte sogar das Bild, dass er eigentlich bemalen sollte, nach mir geworfen. Aber es war mir egal, fast. Es war nunmal meine persönliche Hölle, nicht wie ein Zuhause, eher wie ein Gefängnis, doch mittlerweile nichts besonderes mehr. Nichts war mehr besonders, vor allem seit den letzten Monaten nicht mehr.
Sebastian warf nur wenige Male nach mir, eher aus Langeweile. Vielleicht hatte er letzte Nacht zu viel gefeiert und hatte nun einen Kater, was auch immer. Doch ich war mir sicher, dass es eine Ausnahme war.
In meiner Welt kann sich nichts verändern.

Einer der Gründe | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt