Verloren oder Gewonnen?

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P.o.v. Rewi

Ich sprang auf, als das Klingeln endlich die Stunde beendete. Ohne den Blick zu heben verließ ich den Klassenraum. Auch wenn Luca mich nicht einmal angesehen hatte, spürte ich seine Verachtung. Das tat verdammt weh, immerhin kannte ich ihn seit zehn Jahren und ich hatte das Gefühl alles kaputt gemacht zu haben.
Genauso mit Taddl und Ardy. Sie akzeptieren mich nicht.
,,Geh und red mit ihm!" Felix tauchte neben mir auf, was mich zusammenzucken ließ. ,,Ich kann nicht",murmelte ich und ging weiter die Treppe herunter. ,,Aber du musst, er ist dein bester Freund." ,,Er war."
,,Das weißt du doch gar nicht." ,,Er ignoriert mich." ,,Also du hast mich verprügelt, weil du mich liebst - er ignoriert dich also, weil er es akzeptiert",redete Felix vor sich hin. ,,Was ist das denn für ne Logik?" ,,Deine."
Ich musste schmunzeln, auch wenn mir nicht im geringsten danach war. Ich war geoutet - vor der ganzen Schule. Alle Augen lagen auf Felix und mir, überall Getuschel, überall Beleidigungen. Ich fühlte mich paranoid, dabei war es einfach nur real.
Ich wollte von Felix wegrennen, schreien er wäre nicht mein Freund, aber ich durfte ihn nicht mehr unter meine Bedürfnisse stellen. Er war wichtig und ich wollte und konnte ihn nicht mehr verletzen, das hatte ich oft genug getan.
,,Ist es okay wenn du heute nicht mit zu mir kommst?",fragte ich trotzdem leise. Er nickte. ,,Also wenn was ist komm, aber ich brauche ein bisschen Zeit um-" ,,Ja, ich komme einen Tag ohne dich aus." ,,Sicher?" ,,Ganz Sicher",grinste er und blieb stehen. ,,Dann bis morgen",sagte ich. Ich wusste nicht genau was ich tun sollte. Ihn umarmen, ihn küssen oder einfach nur zu meinem Motorrad gehen. ,,Bis morgen",er nahm mir die Entscheidung ab und nickte mir bloß zu. Dann ging er weiter Richtung Bushaltestelle.

Ich schloss die Haustür auf und trat in den Flur. Gleichgültig ließ ich meinen Rucksack auf den Boden fallen. Ich hatte keinen Hunger, also ging ich direkt zur Treppe, die meine Schwester im selben Moment herunter lief. Warum war sie heute nochmal nicht in der Schule? ,,Hey",begrüßte ich sie, als sie vor mir zum Stehen kam. ,,Weißt du was Scheiße ist?",begann sie. Ich legte meinen Kopf schief. ,,In der Klassengruppe zu lesen dass du schwul bist."

Okay.
Jetzt wollte ich heulen.

Ich hielt ihr die Hand vor den Mund. ,,Sei doch nicht so laut, was wenn Mum das hört." Meine Eltern sind ziemlich beschäftigt, womit auch immer. Dauernd stehen irgendwelche Dienstreisen an, tagelang sind wir allein. Sie zog meinen Arm herunter. ,,Sie ist eben arbeiten gefahren." ,,Aber freitags ist sie doch-" ,,Lenk nicht vom Thema ab!" Ich senkte meinen Blick, schaute auf irgendeinen Punkt auf ihrem Nike Pullover. Ich war mir nicht sicher was ich schlimmer fand, die Tatsache dass in einer Klassengruppe über meine Sexualität geschrieben wird oder dass meine Schwester diese Nachrichten gelesen hat. ,,Wieso hast du mir sowas nicht erzählt?",fragte sie.
,,Kannst du dir das nicht denken?"
,,Was sollte ich denn bitte machen? Es unseren Eltern erzählen?"
,,Mich hassen zum Beispiel."
,,Bist du dumm? Ich hasse dich doch nicht wegen sowas."
,,Aber die ganze Welt tut es",murmelte ich.
,,Sie haben nicht gut reagiert?"
,,Natürlich nicht! Luca ignoriert mich, Taddl und Ardy sehen mich nur verächtlich an. Alle reden über mich und beleidigen mich."
,,Sorry Basti",sie umschlang mich mit ihren Armen. Und ich versuchte nicht loszuheulen, auch wenn mir danach war.
Als sie mich losließ schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen. ,,Also bist du mit Felix zusammen?"
Ich nickte.
,,Hätte ich mir denken können, ihr wart echt komisch zusammen." ,,Inwiefern?" ,,Er starrt dich ziemlich viel an",lachte sie, was mich auch schmunzeln ließ. ,,Kommt er heute vorbei?" Ich schüttelte den Kopf. ,,Sei nicht fies zu ihm." ,,Nicht mehr",entgegnete ich. ,,Warte mal, du musst mir glaube ich noch was erklären",sie packte mich am Handgelenk und schleifte mich ins Wohnzimmer. ,,Wie seid ihr bitte zusammen gekommen, weil ich glaube letzte Woche hast du mich angelogen." ,,Sorry",lachte ich und setzte mich aufs Sofa.
,,Also?"
,,Ich war schon ziemlich lange in ihn verliebt, krankhaft lange",erzählte ich. ,,Und als mir das aufgefallen ist, habe ich angefangen ihn zu mobben." ,,Deswegen? Was ist denn falsch mit dir?" Ich zuckte mit den Schultern. ,,Und, ich meine, Felix ging es dadurch nicht besonders gut. In den drei Monaten, die er weg war, war er in einer Psychiatrie." ,,Er hatte Depressionen deswegen?" ,,Er hat sich deswegen versucht umzubringen."
Sie schwieg.
,,Und das hat er mir gesagt. Ich habe daraufhin ziemliche Schuldgefühle bekommen, weil mir das nicht aufgefallen war. Ich hatte mich so in diesen Hass gesteigert, dass von der Liebe nicht mehr viel da war. Aber dann kam alles zurück."
,,Und er hat dir verziehen?"
,,Scheinbar ja."

Ich war erleichtert, weil sie mich nicht hasste, doch ich war gleichzeitig so erledigt - hatte ich meine Freunde nun verloren?
War dieses Outing richtig oder bereute ich es?

Einer der Gründe | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt