Aus

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Ich ließ den kleinen Schalter an der Seite meines Handys nach hinten klicken, doch das vibrieren - welches nun erklang, war mindestens genauso laut.
Ich starrte auf das Display, auf dem immer wieder Nachrichten erschienen.

,,Felix!"
,,Antworte irgendwas damit ich weiß dass du nur sauer bist und nichts passiert ist."

Wieder drückte ich auf den Home-Button, gab die ersten beiden Zahlen meines Codes ein und schaltete es dann doch wieder aus.
Ich wusste nicht was ich antworten sollte.
Ich war ja nicht einmal sauer.

Ich wollte nur allein sein. In diesem Zimmer sitzen und meinetwegen dort mein Leben verschwenden. Als würde es jetzt noch einen unterschied machen, wenn ich alles wegschmeißen würde. Bis vor wenigen Tagen, um genau zu sein drei, war mein Leben noch grauenhaft.

Und nun war es das wieder.
Warum auch immer.

Nicht weil er mich nicht liebt.
Nein, weil er mich nicht lieben will.

Dann mach ich es ihm halt einfach und verschwinde, dann muss er sich nicht mit etwas so nervigem, beschissenen wie mir beschäftigen.

Soll er doch wieder zu den Mädchen aus unserer Klasse gehen.
Das sind unkomplizierte, nicht depressive und nunmal weibliche Menschen, die man lieben kann, ohne sich dafür zu schämen.

Die muss er auch nicht zwei Jahre lang zusammenschlagen, nur um vergeblich zu versuchen diese Gefühle loszuwerden.

Mit denen kann man sich blicken lassen.
Ja sogar seiner Schwester von erzählen.

Ich tippte den Code ein, hielt den runden Kreis gedrückt und löschte die einzige App die auf diesem Handy heruntergeladen war.

Und damit verschwand nicht nur das nervige Vibrieren - sondern ebenfalls mein Handy.
Denn dieses warf ich wenige Sekunden später mit voller Wucht gegen die Wand.

Mädchen sind einfach.
Wieso verliebte er sich nicht einfach in eines von ihnen?

Ich bin nicht einfach und das wusste er. Und er hatte darauf keine Lust.

Kein Wunder, ich auch nicht.

Ich stand auf und öffnete die zweite Schublade der Kommode. Ich holte die darin unnötigerweise versteckten Klingen heraus. Meine Mutter würde mir vermutlich sogar welche kaufen, um mich endlich los zu werden.

Das stressige Ding, was sich immer noch in ihrem Leben befand.

Das ihren Mann vertrieben hat, weil er ebenfalls keine Lust auf mich hatte.

Der mich mit drei Jahren allein gelassen und sich danach nicht mehr gemeldet hat.

Was auch immer der genaue Grund für sein Verschwinden war, ich war nicht Grund genug zu bleiben. (Relatable)

Ich griff nach der dünnen Klinge und stolperte wieder zu meinem Bett zurück.
Ich zog meinen Ärmel herunter und setzte sie irgendwo an.

Kurz musste ich sogar lächeln, weil ich wusste das mich niemand retten würde.

Ich würde einfach hier sitzen und sterben.

Und wenn ich recht hatte, würde meine Mutter erst gegen Abend das Telefon in der Hand halten und die altbekannte Nummer wählen.

112.

Dann, wenn es längst zu spät wäre.

Und Sebastian wäre mich los.

Kein Stress mehr für ihn.

Das Blut rann meinen Arm herunter.
Es war gar nicht tief.
Nur viele.

Nicht tödlich.
Nur schmerzhaft.

Ich zog meinen Ärmel wieder zu meiner Handfläche und umgriff den Saum mit meinen Fingern.
Die Klinge warf ich meinem Handy hinterher.

Und auch wenn die Leere jetzt verstummt war, machte der sich ausbreitende Schmerz nichts besser.

Ich wollte Sebastian bei mir haben.

Aber er wollte mich nicht

Einer der Gründe | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt