Warten

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P.o.v.: Rewi
Ich saß Stunden auf diesem grauen Sofa, zumindest fühlte es sich so an.
Ich starrte auf den Boden.
Wollte meine Schwester am liebsten wegdrücken. Wie sie mir die ganze Zeit über den Arm strich, dabei brauchte ich niemanden der mich tröstete. Ich war okay, Felix war es nicht.
Vor ein paar Monaten hatte er genau dasselbe versucht und keiner hat sich sorgen gemacht, Tränen vergossen oder ist zu ihm ins Krankenhaus gefahren.
Ich fühlte mich schlecht zu weinen, wenn ich beim letzten Mal unwissend vielleicht sogar gelacht hatte, während die Ärzte versuchten ihn am Leben zu halten.
Er durfte nicht sterben, er durfte nicht tot sein.
Alles in mir schmerzte mehr als Feuer, mein Kopf war schwer wie Blei.
Ich hatte das verlangen zu schreien, aber ich bekam den Mund nicht auf.

Ich spürte noch das Holz unter meinen Händen und ich spürte noch den Kuss von heute morgen.

Vor wenigen Stunden war ein Feuer ausgebrochen und es hatte sich in Sekunden über das ganze Land verteilt.

Ich wollte ins Krankenhaus fahren, sofort. Gleichzeitig wollte ich mich nicht mehr bewegen.
Wollte nicht wissen wie es ihm geht.
Wollte es nicht hören, wenn die Antwort nicht „gut" war.
Ich wollte mich dagegen wehren, aber die Tränen flossen wieder unaufhörlich. Ich wollte nicht weinen, aber ich war ausgelaugt.
Ich war fertig.

Vor mir war immer noch sein Zimmer.
Die Zigarettenschachtel am Fenster.
Die graue Bettwäsche.
Der unordentliche Schreibtisch.
-
Die umgefallene Kommode, die ihn vor der Rettung beschützen sollte.
Die Klingen auf dem Boden, die ihn doch umbringen sollten.
Das Blut, das seine Adern verlassen hatte.

War ich wieder schuld gewesen?
Ja.
Tausendmal ja.

Hatte ihm die Schuld an allem gegeben, dabei hatte er nichts falsch gemacht.

Ich wusste nichtmal für was ich mich schuldiger fühlen sollte.

Für meine heimliche Liebe, die ich in Hass gewandelt hatte. Hass, den ich ihn täglich spüren ließ bis er daran zerbrach.

Oder

Für meine Liebe zu ihm, die ich ihm immer zeigen wollte, aber kläglich daran scheiterte. Für meine Angst, die sich so schnell in den Weg stellte, die so schnell Schuldige suchte.
Für meine Ignoranz, die mich nie seine Probleme hören ließ.
Bis er daran zerbrach.

„Willst du fahren?",fragte Jodie und ich nickte. Ich musste fahren, ich musste es wissen.
„Sophia bleib du bitte hier",sagte sie zu meiner Schwester und sie bejahte.
Ich stand wackelig auf und folgte Jodie wieder zurück zum Auto, in dem Taddl bereits saß.
Hatte er mir verziehen?
Ich winkelte die Beine an und wir fuhren los. Ich hatte panische Angst.
Er durfte nicht tot sein. Nicht jetzt. Nicht heute.
Ich hatte ihm noch so viel zu sagen.
So unglaublich viel, das würde nichtmal in ein Jahr passen.
Ich war noch nicht lange mit ihm zusammen gewesen, nicht lange genug.
Ich wollte ihn Jahre lang bei mir haben. Ich konnte mir nichtmal eine Welt ohne ihn vorstellen.
Ich hatte mich Hals über Kopf in ihn verliebt.
In alles an ihm.
Ich zweifelte daran ohne ihn Leben zu können. Ich könnte nicht ohne ihn Leben.
Vielleicht war ich zu dramatisch, aber diese Ungewissheit, ob ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte machte mich wahnsinnig.

Wir stiegen vor dem weißen, riesigen Gebäude aus. Der Asphalt war trocken, ausgerechnet heute schien die Sonne.
Die Schiebetüren öffneten sich surrend und wir standen in der Notaufnahme.
Jodie ging zur Rezeption und fragte nach ihm, während ich wenige Meter entfernt stand und meinen Blick durch den Raum schweifen ließ.
Alle möglichen Menschen saßen da. Kranke, gesunde, traurige und überglückliche.
Familien denen eben mitgeteilt wurde, dass ihr Angehöriger es nicht geschafft hatte.
Ich wollte raus. Wollte keine schlechten Nachrichten hören.
„Tut mir leid Rewi",sagte Taddl und meine Aufmerksamkeit richtete sich auf ihn. „Ich wollte dich nicht ignorieren, ich-"
Ich winkte ab.
„Bitte nicht jetzt."
Er nickte.
Jodie kam zu uns zurück. „Wir sollen warten."
„Ist er im OP?"
„Keine Ahnung, wir sollen warten bis der behandelnde Arzt kommt."

Sorry falls manche das Kapitel eben mit dem vorherigen Text hier gelesen haben, ich war ziemlich durch den Wind. Ein Freund hat mich aber mal wieder beruhigt und alles ist wieder okay.

Einer der Gründe | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt