Es dauerte eine Weile, bis sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten. Vor mir erblickte ich einen grauen Stoff. Es war definitiv nicht bei mir Zuhause. Spätestens als ich mich aufgesetzt hatte und neben mir den schlafenden Sebastian erblickt hatte, erkannte ich wo ich war.
In seinem Wohnzimmer, auf dem Sofa.
Es war unheimlich still und ich fragte mich, ob seine Eltern überhaupt Zuhause waren. Wenn ja, würde es gleich eine ziemlich peinliche Situation geben.
Ich wischte über meine Augen und zog meine Beine an meinen Oberkörper. Meinen Kopf legte ich seitlich auf meinen Armen ab, sodass Rewi in meinem Blickfeld war.Es war mir so unbegreiflich, dass dieser Mensch mich mal ins Krankenhaus befördert hat.
Das er mich an einem Mittwoch, November, in den Selbstmord getrieben hatte.Seine Hand umgriff meinen Oberarm, dann trat er in mein Blickfeld. ,,Wo willst du denn hin? Schule ist noch nicht vorbei."
Er hatte recht. Eigentlich standen noch zwei Stunden auf dem Plan, doch ich konnte nicht mehr. ,,Fühlst du dich krank?",schmollte er gespielt.
Er kam immer mehr auf mich zu, ich war gezwungen rückwärts zu gehen. Seine Hände drückten gegen meinen Oberkörper. Ich stolperte nach hinten, doch etwas stoppte mich. Eine Wand.
Taddl, Ardy und Luca standen hinter ihm, grinsend.
,,Vielleicht Bauchschmerzen?",seine Faust schlug in meinen Bauch. Meine Atmung stoppte, der Schmerz durchfuhr meinen Körper. ,,Ich glaube du hast Nasenbluten." Der nächste Schlag traf mich im Gesicht. Seine Schläger wurden heftiger, qualvoller. Vielleicht hatten die Anderen bereits mitgemacht. Wo auch immer er mich traf, es brannte wie Lava.
Bis ich nicht mehr aufrecht stehen konnte und letztlich den Boden unter mir spürte. Unter meinen Beinen, meinem Oberkörper, meinen Armen, bis mein Kopf auf den harten Stein schlug.Und je mehr und mehr es wurde, um so weniger spürte ich es.
Tritte.
Wörter.
Ich ließ es über mich ergehen.
Und dann stand ich auf und ging Nachhause.
Die Treppe hoch in mein Zimmer.
Und es war mir egal.
Ich griff einfach nach der Klinge und schnitt meine Pulsader auf.
Ohne Tränen, ohne Gefühle.
,,Felix?"
Ich hob meinen Kopf und bemerkte erst jetzt, dass Sebastian wach und aufrecht neben mir saß. ,,Alles okay?"
Ich schluckte, schüttelte meinen Kopf und nachdem ich meinen Mund geöffnet hatte, dauerte es eine Weile bis die Worte ,,Ehm, ja",erklangen.
Immer noch musterten mich die blauen Augen besorgt.
Ich wandte mich ab.
,,Wo sind eigentlich deine Eltern?"
,,Arbeiten."
,,Seit gestern?"
Er nickte.Kurz verweilten meine Augen auf der weißen Kommode, die im Flur stand.
Dann sprang Sebastian auf und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf sich.
,,Du hast sicher Hunger",seine Stimme war noch verschlafen, was etwas wirklich attraktives hatte.
,,Nei-"
,,Oh Fresse Felix, du isst",er schüttelte den Kopf und verschwand.
Ich schwang meine Beine vom Polster und folgte ihm die Treppe hoch, in sein Zimmer.
,,Willst du duschen?",fragte er und warf mir zwei Handtücher zu.
,,Ja, danke."
Ich ging auf das angrenzende Badezimmer zu, hielt dann aber noch kurz inne.
,,Du hast immer noch meinen Pullover oder?",fragte ich.
Rewi sah mich fragend an.
,,Der vom Regen."
Er drehte sich wieder zum Schrank und zog meinen grauen Hoodie aus einem der Stapel.
,,Danke."***
Ich zog mir meine trockenen Sachen an und stellte mich vor den Spiegel. Meine nassen Haare hingen mir im Gesicht. Unter meinem Auge war die Verfärbung ziemlich bläulich und angeschwollen. Ich hatte immer noch den Schnitt am Wangenknochen und an der Lippe, wo meine Haut einfach nachgegeben hatte.
Ich griff nach der Zahnbürste, die Rewi mir gestern Abend gegeben hatte und putzte meine Zähne.
Auch wenn ich wusste, das er mir nichts mehr tun würde, war mir unwohl bei dem Gedanken, gleich wieder zu ihm zu gehen.
Ich mochte ihn, vielleicht mehr als nur ein bisschen, aber irgendwie war er immer noch der Rewi, der mich fertig gemacht hatte.
Ich meine, ich habe ihn gestern mehrmals geküsst und es war gut. Aber jetzt ist da wieder diese Blockade, diese Bilder in meinem Kopf.
Schläge. Tritte.Ich öffnete die Tür und ging die Treppe herunter in die Küche. Sebastian hatte sich auch fertig gemacht und lehnte an der Theke. Wieder stellte ich mir die Frage, weshalb er sich mit mir abgab. Er sah einfach so gut aus, dass ich mir in meinem Spiegelbild, wie das Letzte vorkam. Und ich kam mir nicht einmal mehr so vor, ich war gegen ihn das Letzte.
,,Danke, aber ich glaube ich muss gleich wieder Nachhause",sagte ich, ohne mir selbst ein Wort zu glauben. Nachhause, von dem ich gestern geflohen bin, nachdem der Freund meiner Mutter komplett ausgerastet ist. Ich würde nie unversehrt an ihm vorbei kommen.
,,Wieso sagst du sowas?",fragte er.
Keine Ahnung, dachte ich.
Weil ich weg will.
Weil ich in einer Stunde nicht wieder anfangen will, an deinen Gefühlen für mich zu zweifeln.
Weil ich weiß, dass das passieren wird, wenn ich bleibe.
Und ich will nicht wieder dir gegenüber misstrauisch werden, nur weil mein Selbstwertgefühl bei deinem Anblick verkümmert.
Und wenn ich so weiter mache, mich in Gedanken verloren habe und am liebsten jeden anschreien will, damit ich allein sein kann, hasst du mich.
Niemand will mit so jemandem etwas zu tun haben.
Deswegen will ich gehen.
,,Hm?"
,,Du weißt das ich depressiv bin, oder?"
,,Ja, aber du hast doch keinen Grund mehr."
,,Davon abgesehen, dass sowas nicht einfach aufhört, habe ich noch tausend Gründe."
,,Und jetzt willst du nachhause und keine Ahnung, dich in deinem Zimmer einsperren und in so 'ner depressiven Phase versinken?"
,,Lieber da, als hier."
,,Wieso?"
,,Weil ich dann nur allein sein kann. Ich packe es dann nicht zu reden oder sonst was zu machen."
,,Du kannst auch einfach hier sein, ohne Reden."
,,Aber ich will auch nicht das du das mitbekommst."
,,Felix ich habs doch eigentlich die letzten zwei Jahre mitbekommen."
,,Aber nicht so, du würdest mich irgendwann hassen."
,,Ich würde dich doch nicht hassen! Es ist egal, ich weiß ja dass du bloß in so einer Phase bist."
,,Komm runter okay?",er legte seine Hände an meine Hüfte und zog mich an sich ran. Ich nickte und beugte mich zu ihm, bis meine Lippen auf seinen lagen.
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Einer der Gründe | Rewilz
FanficJemandem den man liebt, bricht man das Herz, nicht die Nase. Als Felix nach langem Fehlen wieder in der Schule auftaucht, verändert sich einiges in seiner sonst so tristen Welt. Rewi, der ihn sonst nur für dumme Kommentare oder Schlimmeres ansprach...