P.o.v.: Felix
,,Hey",meldete ich mich an meinem Handy. ,,Hey, willst du gleich noch vorbeikommen?",fragte Basti. ,,Ich dachte heute nicht mehr?" ,,Ja, ich, keine Ahnung. Ich dachte ich müsste nen freien Kopf bekommen, aber allein sein beweist sich als kontraproduktiv." ,,Dann komme ich." ,,Ja? Okay, dann bis gleich",ich wollte noch erwidern, doch schon hatte er aufgelegt.
Ich stützte mich aus meinem Bett und steckte mein Handy in meine Hosentasche. Irgendwo hatte ich noch einen Turnbeutel, aber den hatte ich seit Monaten nicht mehr gesehen. Glücklicherweise fand ich ihn unter meinem Bett. Ich packte Klamotten für morgen ein und eine Zahnbürste. Ich wusste zwar nicht ob ich bei ihm schlafen würde, aber sicher ist sicher.
Kurz blieb ich vor meinem Spiegel stehen, auch wenn ich nicht wollte. Abschätzig betrachtete ich mich. Bevor meine Gedanken überhand gewannen, drehte ich mich weg. Nur meinen Unterarm musterte ich noch. Es waren viele Schnitte, vielleicht zu viele. Meine Haut sah ziemlich zerfleischt aus und ich bereute meine Aktion am Mittwoch. Ich ging ins Bad und suchte im Schrank nach Verbandszeug.
Mit verbundenem Arm, von Ellenbogen bis zur Hand, ging ich die Treppe herunter.
,,Wohin gehst du?",fragte meine Mutter, die mit einer Zigarette in der Hand aus dem Wohnzimmer kam.
,,Zu einem Freund",antwortete ich.
Sie hob eine Augenbraue, was mich sofort genervt seufzen ließ.
,,Sebastian, wohnt nicht weit von hier, ist in meiner Klasse."
,,Ich weiß wer Sebastian ist, er hat mit dem Mobbing angefangen."
,,Ja, aber wir verstehen uns jetzt gut."
,,Lüg mich nicht an!"
,,Oh Gott, ich kann auch Freunde haben",ich verdrehte die Augen und öffnete die Haustür.
,,Wann bist du wieder da?"
,,Morgen oder heute Abend."
Ich zog die Tür zu und machte mich auf den Weg zu Rewi.
Es war heute besonders warm und mein Pullover war absolut ungeeignet, aber eine Wahl hatte ich ja nicht.Ich drückte auf die Klingel und wartete vor seiner Haustür. Es dauerte nicht lange, da öffnete er mir. ,,Hey",begrüßte ich ihn. ,,Hey." Er zog mich an sich und küsste mich kurz. Wie immer war ich geflasht von dem Gefühl, dass so plötzlich meinen Körper durchströmte. ,,Wollen wir nach oben?" Ich nickte, zog meine Schuhe aus und ging ihm hinterher die Treppe hoch. ,,Hast du schon was von Luca und so gehört?",fragte ich. ,,Nein, ich hab mein Wlan abgeschaltet." ,,Wieso?" ,,Ich will die Nachrichten nicht lesen",er setzte sich auf sein Bett. ,,Die werden schon nicht so schlimm sein",versuchte ich ihn zu beruhigen. Er hob eine Augenbraue und drückte mir sein Handy in die Hand. Ich setzte mich auf den Drehstuhl an seinem Schreibtisch und öffnete WhatsApp. Ganz oben war die Klassengruppe, darunter Luca, aber die Nachrichten waren alle noch von heute morgen. Alles vor dem Outing.
Ich aktivierte die Wlan-Verbindung wieder und starrte auf den Bildschirm. Es dauerte wenige Sekunden, schon vibrierte das Handy ununterbrochen. Das surren überschlug sich.
Chats tauschten ihre Positionen nach Aktualität. Bis fast eine Minute später alles zum Stehen kam. Der oberste Chat hatte über 200 Nachrichten, die darunter hatten höchstens fünf, sechs. Ich scrollte runter und blickte auf bestimmt 20 verschiedene Kontakte, die erst vor kurzem etwas geschrieben hatten. Die meisten waren mir unbekannt.
,,Und?"
Ich hob meinen Blick und sah Basti an, der mich nervös musterte. ,,Soll ich mir die Nachrichten durchlesen?" Er nickte. ,,Sicher? Nicht das -" ,,Ja, sicher."
Ich klickte auf den Klassengruppen-Chat und scrollte nach oben. Niemand hatte hier etwas über ihn geschrieben, immerhin konnte er es ja lesen. Also klickte ich auf den darunter, Jodie Calussi.
Sie war soweit ich wusste Bastis "Freundin". Also das hatte ich zumindest gedacht, denn bevor ich in der Psychiatrie war hingen sie ziemlich viel aufeinander. Natürlich waren sie nie ein Paar, sonst hätte er sie ja mit mir betrogen. Aber sie waren sich ziemlich nah und wenn ich nicht aufgetaucht wäre, hätte etwas aus ihnen werden können. Etwas richtiges, nicht so wie wir. Ich konnte mir die beiden fast zu gut miteinander vorstellen. Jodie war nett und nicht so wie die meisten Mädchen die ich so kannte. Sie ging in unsere Parallelklasse und hatte mir sogar einige Male aufgeholfen, als ich entweder von allein oder wegen Anderen zusammengebrochen war. So ganz verstanden, wieso sie dann trotzdem so viel mit Basti machte verstand ich nie. Vielleicht hatte sie ihn privat so lieb gewonnen, dass ihr das mit mir mehr oder weniger egal war.,,Basti."
,,Ruf mich mal bitte an."
,,Alles okay bei dir?"
,,Rewi!"
,,Erklär's mir bitte.",,Jodie will mit dir telefonieren",sagte ich. ,,Ist sie sauer?" ,,Glaube nicht."
Ich ging aus dem Chat und scrollte wieder nach unten. ,,Viele?" Ich nickte. ,,Viele Beleidigungen?"
Ich las mir ein paar Nachrichten durch. In manchen stand wirklich einfach nur sowas wie ,,Bist du schwul?" ,,Schwuchtel" oder andere unnötige Kommentare. ,,Nein, nicht viele",sagte ich. ,,Irgendjemand besonderes?" Ich suchte nach Luca, Ardy, Taddl und Max, doch sie hatten nicht geschrieben, also schüttelte ich den Kopf.
,,Ich will das alles gar nicht lesen",seufzte Basti und ließ sich nach hinten fallen. ,,Soll ich die schlechten Löschen?",fragte ich. ,,Ich weiß nicht."
,,Du solltest nicht darauf hören was sie sagen, solange du weißt was richtig ist.",,Aber ich weiß es nicht."
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Einer der Gründe | Rewilz
FanfictionJemandem den man liebt, bricht man das Herz, nicht die Nase. Als Felix nach langem Fehlen wieder in der Schule auftaucht, verändert sich einiges in seiner sonst so tristen Welt. Rewi, der ihn sonst nur für dumme Kommentare oder Schlimmeres ansprach...