9 Jahre Später
„Ich finde du solltest ihm zusagen!", wiederholt sie zum gefühlten hundertsten Mal. Genervt drücke ich etwas zu fest auf die Bremse, sodass wir kurz vor dem grässlichen gelben BMW vor uns an der Ampel zum Stehen kommen.
„Natalie! Können wir nicht endlich das Thema wechseln?", flehe ich sie an.
„Nein! Ich weiß überhaupt nicht, was dein Problem ist, er ist doch ein netter Typ.", versucht sie mich wieder zu überzeugen.
„Oh, was ein Argument. Jeder kann nett sein!" Die Ampel springt wieder auf grün und ich lasse die Kupplung kommen.
„Okay, dann ist er eben heiß!" Ich schaue zwar auf die Straße doch kann ich mir vorstellen, wie sie wieder mit ihren perfekt gezupften Augenbrauen wackelt, was sie immer tut, wenn sie mir etwas schmackhaft machen will.
„Natalie!", schreie ich erneut.
„Was? Nur weil du immer so verklemmt bist? Hab doch endlich mal ein wenig Spaß im Leben!" Ein kurzer Blick zur Seite verrät mir, dass sie ihre Arme vor der Brust verschränkt hat. Ich bin ja eigentlich dankbar dafür, dass sie sich so dafür interessiert, wie es mir geht und oft besser als ich selbst weiß, was gut für mich ist. Aber mindestens genauso oft treibt sie mich dadurch zur Weißglut, denn wenn es darum geht meine Komfort-Zone zu verlassen, kann ich echt stur sein. Dort fühle ich mich eben wohl und ich bin nicht der Typ Mensch, der mal eben ins kalte Wasser springt, obwohl er nicht schwimmen kann.
„Spaß? Der Typ ist ein Ekelpaket und hat mich nur nach einem Date gefragt, weil er will, dass ich ihm bei seiner Hausarbeit helfe! Der tickt ja nicht ganz richtig!" Ich tippe mir mit einem Finger gegen meine Schläfe.
„Oh, ich bin mir sicher, er hatte nicht nur die Hausarbeit im Sinn...", sagt sie leise, aber dennoch hörbar. Schlagartig werde ich rot, bei dem Gedanken Brian auf diese Art und Weise näher zu kommen.
„Na, wer wird denn da rot?" Mist! Wieso muss sie denn so was auch immer direkt mitbekommen? Wir kennen uns noch nicht lange, erst seit ich zu Studienbeginn vor 4 Monaten nach London gezogen bin, um Kunstgeschichte zu studieren. Um mir meine Wohnung bezahlen zu können, habe ich einen Nebenjob als Kellnerin in einem kleinen Restaurant namens „The Evil Puppet" im Londoner West End angenommen, in dem ich Natalie kennengelernt habe. Sie ist drei Jahre älter als ich und das absolute Gegenteil von mir, aber wir verstanden uns auf Anhieb. Sie ist die Art Mensch, die einem immer ein Lächeln aufs Gesicht zaubern kann, und in ernsten Situationen alles stehen und liegen lässt, um einem zu helfen, bis das Problem gelöst ist. Und dann gibt es ihre nervige Seite.
„Ich werde rot, weil du mich wütend machst!" Sie nickt langsam mit dem Kopf und grinst mich schief von der Seite an, während ihre braunen, sprungfederartigen Locken auf und ab hüpfen. „Hmmm ist klar!"
„Nein, im ernst. Ich habe wirklich keine Lust mich mit ihm zu treffen! Er ist nicht mein Typ!", versuche ich mich rauszureden.
„Keiner ist dein Typ!" Ich antworte darauf nichts, da diese Aussage irgendwie wahr ist. Ich hatte noch nie einen richtigen Freund, obwohl ich letztes Jahr schon achtzehn geworden bin. Ich weiß selber nicht genau, woran es liegt, aber ich bin irgendwie zu wählerisch. Bei jedem Jungen, den ich kennen gelernt habe, gab es immer irgendetwas auszusetzen. Nie stimmte die Chemie, ich hatte eigentlich immer gedacht, dass ich irgendwann jemanden finden würde, bei dem ich das Gefühl habe, als könnte ich mich ihm anvertrauen. So wie bei ihm... Aber auch Harry hatte mich letztendlich enttäuscht. Ich will eigentlich nicht mehr an ihn denken, aber ich kann es einfach nicht abstellen. Auch nach fünf Jahren, in denen ich kein Wort mehr von ihm gehört habe, muss ich beinahe noch jeden Tag an ihn denken. Mittlerweile ist es zwar besser geworden, aber vergessen kann ich es nicht. Zum Glück habe ich mich damit abgefunden und weine mich nicht mehr jede Nacht in den Schlaf, weil ich nicht verstehe, warum er mich verlassen hat. Warum er sein Versprechen gebrochen hat. Ich habe es auch bis heute nicht erfahren, immer wenn ich meine Mutter nach Harry gefragt habe, wurde sie wütend und ist meinen Fragen ausgewichen. Sie hat immer gesagt, ich soll ihn vergessen. Aber wie soll man jemanden vergessen, der ein Teil von jemandem gewesen ist? Wie soll man jemanden aus seinen Gedanken verbannen, mit dem man fast sein ganzes Leben verbracht hat? Den man kannte, seit man denken konnte? Dem man sein Leben anvertraute, der einen nie enttäuschte, weil er der beste Freund war... Aber am Ende hatte er mich enttäuscht, und deswegen sollte ich ihn endlich vergessen. Das versuche ich mir ständig einzureden, aber es ist leichter gesagt als getan.
DU LIEST GERADE
Die Sterne sind gegen Uns | H. S.
Фанфик"Ich würde alles tun, um bei dir bleiben zu können!" "Für immer?" "Für immer!" Ein Versprechen, nur in Sand geschrieben. Ein Versprechen, was zu halten sie nicht fähig waren, denn es war nicht nur irgendeine Welle, die dieses Versprechen nichtig m...