Kapitel 42

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Aufgewühlt fahre ich mir mit meinen beschmierten Händen durch die Haare, bevor ich mir eilig meine Jacke überziehe und meine Tasche schultere.

„Hey, Luna, ganz ruhig!", hält Harry mich am Arm fest, als ich ohne ein weiteres Wort schon durch die Tür gehen wollte.

„Was ist weg?"

„Mein Portemonnaie ist weg, ich muss es in der Uni liegen gelassen haben. Zumindest glaube ich es, ich weiß es nicht genau aber ich hatte es im Hörsaal zumindest rausgeholt...", versuche ich ihm schnell zu erklären, als ich auch schon seine Hand von meinem Arm löse und das Treppenhaus betrete. Nur entfernt bekomme ich mit, wie Harry mir folgt und meine Wohnungstür ins Schloss fällt, da ich schon dabei bin, die Treppen runter zu hechten.

„Luna, hey, hey, hey. Jetzt warte doch!" Schnell, wie er ist, hat er bereits zu mir aufgeschlossen. „Die Uni hat um diese Uhrzeit doch schon geschlossen!" Wie spät es schon ist, bemerke ich erst, als wir jetzt ins Freie treten. Es ist bereits stockdunkel.

„Egal, ich muss es versuchen, irgendwer wird schon noch da sein!", versuche ich ihm einzureden.

„Luna, wenn der Hörsaal abgeschlossen ist, wird es wohl kaum jemand heute Nacht klauen, du kannst es doch morgen holen!"

„Da sind alle meine Papiere drin, ich brauch es, jetzt!" Den eigentlichen Grund kann ich nicht aussprechen. Es würde zu lächerlich klingen.

„Wozu brauchst du mitten in der Nacht deine Papiere?", wieder hält er mich am Arm fest und bringt mich zum Stehen. „Ich kann dich morgen früh auch gerne hinbringen, wenn du möchtest! Und auch, wenn es jemand finden sollte; wie du sagtest, dort sind deine Papiere drin, es würde bestimmt irgendwo abgegeben werden, du hast es ja nicht in der U-Bahn verloren!" Seufzend versuche ich mich zu beruhigen, aber nicht, weil er mich überredet hat.

„Harry, es geht nicht um meine Papiere. Es geht um ein Foto!" Jetzt musste ich es doch zugeben.

Ohne seine Reaktion abzuwarten, steuere ich auf mein Auto zu, während ich versuche zu ignorieren, wie er ungläubig nachfragt: „Ein Foto?"

Ich lasse mich auf den Fahrersitz fallen und wäre eigentlich sofort losgefahren, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass Harry letztendlich doch mitkommen würde. Für ein Foto. Und noch weniger habe ich damit gerechnet, dass er jetzt abwartend neben mir sitzt, ohne Anstalten zu machen, mich ausfragen zu wollen.

„Was ist denn jetzt? Willst du losfahren, oder hast du es dir doch anders überlegt?"

Entgeistert starte ich den Motor, und frage mich, wie es möglich sein kann, dass ein Mensch bei so etwas nicht neugierig wird. Für so jemanden wie Harry muss mein ständiges Gefrage wohl noch nerviger sein, als ich sowieso schon angenommen habe. Und auch jetzt kann ich mich nicht stoppen, also frage ich, während wir durch die beleuchteten Straßen Londons fahren: „Wieso bist du mitgekommen?"

„Du glaubst doch nicht, dass ich dich alleine nachts in ein Universitäten-Gebäude einbrechen lasse, oder? Diesen Spaß kann ich mir nicht entgehen lassen!" Doch diesmal ohne an seine heutigen kriminellen Tätigkeiten denken zu müssen, sondern an den früheren, frechen Harry, breche ich in lautes Lachen aus, da mir diese ganze Situation, dieser ganze Abend bereits, zu grotesk, und doch wunderschön zugleich vorkommt. Und als Harry auch noch in das Lachen mit ein stimmt, denke ich gar nicht mehr daran, damit aufzuhören.

Nachdem ich mein Auto auf dem ungewohnt leeren Parkplatz abgestellt habe, laufen wir sofort auf den einzigen Hörsaal zu, den ich heute Morgen zuletzt betreten habe. Die Eingangstür war zu unserer beider Überraschung nicht abgeschlossen, doch war zu erwarten, dass ich so viel Glück dann doch nicht habe. Und während ich Harry dabei zusehe, wie er das Schloss der Tür zu dem Raum zu knacken versucht, in den ich unbedingt heute Abend noch rein muss, bin ich unglaublich froh darüber, dass er mitgekommen ist.

Die Sterne sind gegen Uns | H. S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt