Kapitel 6

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Der Effekt der heißen Dusche lässt leider bereits nach, als ich wieder durch die Kälte laufen muss. Durchgefroren betrete ich den Hintereingang zu dem Restaurant, in dem ich arbeite und hänge meinen Mantel an die Garderobe, als Malie - eine thailändische Schneiderin, die hier ebenfalls Teilzeit kellnert - besorgt auf mich zukommt.

„Oh, hallo Luna! Können du bitte Louis Bescheid sagen, dass ich schnell weg müsste. Ich kanne ihn nicht finden, aber ich muss schnell nach Hause, meine Sohn ist sehr krank!" Geschockt von dieser Aussage schaue ich sie an.

„Oh mein Gott, Malie, ich hoffe es ist nichts Ernstes?!" Ich streiche ihr beruhigend über den Rücken und hoffe, dass sie nicht gleich anfängt zu weinen, da bereits ihre Stimme sehr brüchig klang.

„Ich weiß es nicht genau!"

„Geh du nur, ich werde Louis Bescheid geben!"

Sie zwingt sich zu einem Lächeln und drückt dankbar meine Hand, bevor sie durch die Hintertür verschwindet. Oh Gott, jetzt bin ich für heute allein, ich hoffe es kommen nicht allzu viele Gäste, sonst bin ich definitiv überfordert. Zuerst lege ich mir die schwarze Schürze, aus der unsere Kellner-Uniform besteht, um und mache mich auf den Weg Louis zu suchen. Louis ist der Besitzer des Restaurants, weshalb ich zuerst in seinem Büro nach ihm suche, ihn dort jedoch nicht finden kann. Ich mache mich also auf den Weg in die Küche, um Alfie zu fragen.

„Hey, PH, weißt du wo Louis ist?"

Er wird von allen PH oder Pasta Head genannt, weil seine langen, dünnen blonden Haare aussehen wie Spaghettis. Außerdem scheint sein Leben nur aus Pasta zu bestehen, auch wenn er Chefkoch ist und das ein Teil seines Berufs ist, ist dieses Verhalten manchmal nicht mehr normal. Nicht nur, wenn wir ein neues Gericht für die Karte brauchen ist seine Antwort stets Pasta. Einmal hat ihn Natalie nach einem Beziehungsrat gefragt – seine Antwort war: mach ihm doch mal Pasta. Als ich aus Versehen in meiner ersten Arbeitswoche einen Teller habe fallen lassen, wollte er mich mit Pasta trösten. Und als Malies Aufenthaltserlaubnis verlängert wurde, wollte er eine Pasta-Party schmeißen. Sie hat zugestimmt... Ein Glück war ich nicht dabei.

„Ich glaube, er wollte eine rauchen gehen, oder so. Er ist auf jeden Fall auf den Hof gegangen.", sagt er ohne mich anzusehen und schneidet weiter das Gemüse.

„Okay, danke!"

Ich mache mich wieder auf den Weg nach draußen. Wieso habe ich ihn dann nicht gerade gesehen? Und seit wann raucht Louis? Wie vermutet kann ich jedoch auf den ersten Blick niemanden auf dem kleinen Innenhof erkennen.

„Louis?", rufe ich also nach ihm. Keine Antwort. Als ich wieder reingehen will, höre ich aber ein lautes Poltern, weshalb ich mich wieder ruckartig umdrehe und den leisen Stimmen lausche, die ich plötzlich gedämpft wahrnehme.

„Sag ihm, er soll mir noch Zeit geben! Ich habe es noch nicht!", höre ich Louis Stimme verzweifelt sagen. Die andere Stimme kann ich nicht erkennen, da sie lediglich flüstert.

„Du solltest dich besser beeilen, man. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Zach keinen Spaß versteht. Wenn er mich schon als letzte Warnung zu dir schickt, dann nimm es einfach ernst!"

„Kann er nicht eine Ausnahme machen?", fragt Louis nach einer kurzen Pause.

„Das wird er in keinem Fall. Eher bringt er dich um, als auf sein Geld zu verzichten. Wenn er nicht auch noch mich umbringt, weil ich dich verfickt noch mal mit zu ihm genommen habe!" Wovon zur Hölle reden die da? Wer will hier jemanden umbringen?

„Ich brauche Zeit!"

„Die hast du nicht!" Die flüsternde Stimme klingt endgültig. Ich kann auf einmal sich nähernde Schatten auf dem Boden erkennen und gehe so schnell wie möglich wieder rein, um nicht entdeckt zu werden. Ich schrecke auf als Louis die Tür laut aufknallt und wütend in Richtung seines Büros stapft.

Die Sterne sind gegen Uns | H. S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt