Kapitel 55

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Verschlafen öffne ich die Augen, doch es ist noch stockdunkel. Ich brauche Wasser, mein Mund ist wie ausgetrocknet. Vorsichtig löse ich mich aus Harrys Armen, versuche ihn nicht zu wecken, bevor ich durch das nur vom Mondlicht beleuchtete Zimmer tapse und mich auf den Weg Richtung Küche mache. Ich durchsuche sämtliche Schränke, bis ich endlich ein Glas gefunden habe und halte es dann unter den kalten Wasserstrahl. Doch als ich mich wieder umdrehe und das Glas an meine Lippen halten will, fällt es mir vor Schreck aus der Hand und ich beginne zu schreien. Eine große, dunkle Gestalt steht in den Schatten im Eingang der Küche und scheint mich nur anzustarren.

„Wer sind sie?", frage ich ängstlich. „Sagen sie mir was sie wollen oder ich rufe die Polizei."

Die Gestalt kommt einen Schritt auf mich zu, sodass ich nun im Licht erkennen kann, wer hier vor mir steht. Sein Anblick hat sich für immer in mein Gedächtnis gebrannt.

„Was ich will?", fragt er mit ruhiger, aber bedrohlicher Stimme. „Ich will eine Erklärung, wieso ich dafür sterben musste, dass Harry seinen Job nicht erledigen konnte!" Das Blut aus der klaffenden Schusswunde in seiner Stirn läuft ihm über das Gesicht in seine Augen, aber das scheint ihn nicht im Geringsten zu stören. Er kommt noch einen Schritt auf mich zu, aber ich kann nicht weiter nach hinten ausweichen.

„Bitte"

„Ich will wissen, wieso du tatenlos dabei zugesehen hast, wie ich ermordet wurde!" Seine Augen sind kalt. Leblos und leer.

„Ich konnte ni"

„Wieso du einfach nur dagesessen hast, obwohl du mir hättest helfen können!" Er macht noch einen Schritt. Uns trennt nur noch eine Armlänge.

„Ich will wissen, wieso du Zach nicht aufgehalten hast, als er die Waffe auf mich gerichtet hat!"

„Er hat die Waffe wieder sinken lassen, ich wusste nicht, dass"

„Ich will eine Erklärung dafür, wieso ich sterben musste, obwohl du es hättest verhindern können!" Jetzt steht er genau vor mir und meine Beine scheinen wie angewurzelt. Ich kann mich keinen Zentimeter bewegen.

„Du bist eine Mörderin!"

„Nein, bitte, ich"

„Und weißt du, was solche kaltblütigen Mörder verdienen?"

Hilflos schüttele ich den Kopf. Doch ich bekomme keine Antwort mehr von ihm. Stattdessen erkenne ich im Augenwinkel etwas Schwarzes in seiner Hand, bevor ich auch schon das kalte Metall der Schusswaffe an meiner Stirn fühle. Hysterisch beginne ich zu schreien, ihn anzuflehen, mich zu verschonen. Aber es hilft nichts.

Er drückt ab.

„Luna, wach auf!", unterbricht eine raue Stimme meine Schreie und ich schlage ruckartig die Augen auf. Ich will mich aufrichten, doch Harry drückt meine beiden Arme in die Matratze unter uns, als hätte ich wild um mich geschlagen.

„Harry, ich..." Als er mich dann loslässt, sehe ich mich hysterisch in seinem Schlafzimmer um, vor Angst, Dave wieder zu erblicken. „Er hat..."

„Pscht, es ist alles gut!", versucht er mich zu beruhigen, nimmt mich in den Arm und streicht mir wie so oft beruhigend über den Rücken. „Es war nur ein Traum!"

Ich versuche seinen Worten Glauben zu schenken, doch finden diese Schuldgefühle schnell einen Weg zurück in meine Gedanken. Und diese sind nicht nur ein Traum, nein, sie fühlen sich verdammt echt und schmerzhaft an. Ich versuche mich auf Harrys sanfte Berührungen zu konzentrieren und nach einer Weile beruhigt sich mein Puls wieder. Doch dieses grässliche Gefühl bleibt. Dann, ohne einen einzigen Vorwurf in meinen Augen, sehe ich ihn an. Mit reiner Neugierde und einem Funken Hoffnung.

Die Sterne sind gegen Uns | H. S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt