Kapitel 62

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Verwirrt blinzele ich den hochgewachsenen Mann vor mir an. Seine schwarz-golden verzierte Maske bedeckt sein ganzes Gesicht. Lediglich seine Augen sind zu erkennen. Braune Augen, welche sonst eigentlich Wärme ausstrahlen sollten.

„Wie bitte?"

„Es tut mir wahnsinnig leid, das war eine eher weniger charmante Idee Ihnen näher zu kommen." Seine Augen taxieren mich mit einem festen Blick, als er mir seine Hand hinhält. „Darf ich um einen Tanz bitten?" Seine Stimme kommt mir bekannt vor.

Um Gottes Willen, Nein!

„Natürlich, liebend gern!" Ich setze ein liebliches Lächeln auf. Also zumindest hoffe ich, dass es genauso lieblich rüberkommt, wie in meiner Vorstellung.

Der mysteriöse Mann führt mich an meiner Hand ein paar Schritte weiter auf die Tanzfläche, als zu meinem Glück ein langsames Lied anklingt.

„Tanzen sie Walzer?"

Wie ein Bauerntrampel!

„Ich kann es versuchen."

Ich höre ein kleines Lachen meines Gegenübers, als er anfängt seinen rechten Fuß nach vorne zu setzen.

„Ihr Versuch gelingt ziemlich gut!", sagt er mir nach einer kurzen Weile.

Lügner! Ich gehe nicht auf seine unverschämte Feststellung ein. Stattdessen frage ich: „Wie war nochmal Ihr Name?"

„Ich hatte Ihnen meinen Namen nicht verraten!" Mein Gegenüber klingt ein wenig verwirrt.

„Oh!", hauche ich. So langsam verstehe ich den Sinn dieser lächerlichen Veranstaltung.

Und statt einer Antwort, fragt er mich: „Sie sind neu hier, oder?"

„Sie meinen, im Gegensatz zu Ihnen?"
„Wissen sie, wo Sie hier sind?", weicht er mir aus.

Sie meinen, mitten in einem Drogenloch, in welchem sich die ach so feine Elite trifft, um auch mal die verführerisch gefährlichen Rauschmittel zu kosten, welche schon so vielen Menschen das Leben gekostet haben, nur, um für kurze Zeit ihrem so wunderbar schrecklichen Alltag zu entfliehen und vom Abgrund zu kosten? Ach, aber all dies bitte, ohne erkannt zu werden, damit jeder nach seinen paar Stunden Freiheit unerkannt und ungestraft in seinen goldenen Käfig zurückkehren kann.

Ich verkneife mir einen unverschämten Ton und antworte mit so viel Höflichkeit in der Stimme, wie ich sie aufbringen kann: „Ich kann es mir vorstellen!"

„Und was - verzeihen Sie die Direktheit meiner Bemerkung – tut eine wunderschöne junge Dame wie Sie, an solch einem verbotenen Ort?"

Wo haben mich Harry und Jacob nur mit reingezogen?

„Beurteilen Sie Menschen also nach ihrem Aussehen?"

„Sie weichen mir aus!"

„Sie mir auch!"

Einen kurzen Moment starrt er mich schon wieder nur eindringlich an, bevor er mich unerwartet in eine schwungvolle Drehung stößt und so schnell wieder zu sich zurückzieht, dass ich ein zweites Mal in wenigen Minuten unsanft gegen seine Brust stoße. Doch anstatt mich wieder freizugeben, behält der Mann mich mit festem Griff in dieser Position, sodass ich sein strenges Parfum bemerke. Mit seinem Mund streift er unangenehm meine Wange, bevor er mir ins Ohr flüstert: „Vorsicht, junge Dame. Hier sollten Sie sich nicht gleich beim ersten Mal Feinde machen!"

Beim ersten Mal?

„Was lässt sie glauben, dass ich wiederkommen würde?"

Er lockert seinen Griff wieder, schiebt mich ein Stück von sich weg, aber löst seinen Blick nicht von mir.

Die Sterne sind gegen Uns | H. S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt