In dem Moment, als ich mit Natalie vor die Tür trete bereue ich es, keinen Schal angezogen zu haben. Ich weiß zwar genau, wie kalt es in dieser Jahreszeit in London immer ist, aber heute ist es auch noch besonders windig.
Geschlagene vier Stunden sind vergangen, seitdem ich Natalie beinahe den Schädelknochen zertrümmert hätte und in denen wir nichts Anderes gemacht haben, als zu reden und Tee zu trinken. Sie war zu Fuß die paar Blocks zu mir gelaufen, um den Kopf frei zu bekommen, wie sie mir berichtet hat und nun laufen wir gemeinsam zurück zu ihr nach Hause, damit sie mich mit ihrem Auto zum Restaurant bringen kann zu meinem hoffentlich wieder funktionsfähigen Wagen.
Sie hat mir erzählt, wie Rufus ihr den Antrag gemacht hat. Ganz romantisch hatte er ihre Wohnung mit einer Spur von Rosenblättern dekoriert, die sie zu ihrem Schlafzimmer geführt hatte, welches ebenfalls mit zahlreichen roten Rosenblättern und vielen Duftkerzen dekoriert war. Und beinahe ganz unscheinbar, lag mitten auf ihrem Bett ein kleines schwarzes Kästchen aus Samt. Obwohl sie beinahe zu Tränen gerührt war, konnte sie ihm nicht sofort antworten. Und was ich sehr an Rufus schätze, obwohl ich ihn nicht besonders gut kenne, ist, dass er sie nicht sofort dazu drängt zu antworten. Er lässt ihr so viel Zeit, wie sie braucht und er hat ihr gesagt, dass sie nur wissen soll, dass er sie von ganzem Herzen liebt, und dass er immer da sein wird. Und sollte sie auch noch Jahre brauchen, würde er auf sie warten.
Als Natalie die Ereignisse ihres letzten Abends so knapp zusammengefasst hatte, wäre mir beinahe das Herz geschmolzen, so gerührt war ich davon. Aber ich kann Natalie auch verstehen, dass sie noch Zeit braucht. Sie ist immerhin erst 21. Rufus sei sechs Jahre älter und wüsste anscheinend schon genau, wie sein Leben aussehen sollte, aber Natalie wäre sich noch zu unsicher. Sie wüsste zwar hundertprozentig, dass sie Rufus liebt, doch sei ihre Zukunft so ungewiss, dass es ihr Angst macht. Sie hatte niemals damit gerechnet möglicherweise so früh in ihrem Leben zu heiraten, und obwohl sie glaubt, dass Rufus ihre große Liebe ist, kommt es ihr zu unwirklich vor, als dass sie davon nicht verunsichert sein könnte.
Da ich selber keine Ahnung von dieser Gefühlsduselei habe, war ich vielleicht nicht die beste Ansprechpartnerin, was dieses Thema angeht. Alles was ich ihr sagen konnte, war, dass sie auf ihr Herz hören soll. Und wenn sie Rufus wirklich liebt, dann soll sie es ihm sagen, aber sich deswegen nicht dazu verpflichtet fühlen, etwas zu tun, wozu sie noch nicht bereit ist. Wenn sie in diesem Alter noch nicht heiraten will, soll sie es ihm einfach sagen, er würde es bestimmt verstehen, vor allem weil sich beide ihrer Liebe für einander zu hundert Prozent sicher sein können.
„Danke noch mal, Luna!", wendet sie sich jetzt an mich, als wir mit ihrem Wagen vor dem Restaurant im Halteverbot stehen bleiben.
„Na ja, ich war jetzt nicht die allergrößte Hilfe, aber-"
„Doch das warst du. Du hast mir geholfen meine Gedanken zu ordnen. Ich war so überwältigt von allem, dass ich nicht mehr klar denken konnte, und habe mich verpflichtet gefühlt ihm heute noch eine Antwort zu geben. Aber du hast mir noch mal vor Augen geführt worauf es wirklich ankommt, und hätte ich niemanden, um darüber zu reden, wäre ich vermutlich heute Nacht durchgedreht!", spricht Natalie in einem so schnellen Tempo, dass es mir schwer fällt ihr zu folgen. Ein Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht, als ich sie abgehetzt ausatmen höre.
„Komm her!", sage ich zu ihr und ziehe sie in eine innige Umarmung. „Du kannst jederzeit mit allem zu mir kommen!", versichere ich ihr noch mal.
„Ich weiß, und dafür liebe ich dich! Ich bin einfach so unglaublich dankbar dafür, so tolle Menschen in meinem Leben zu haben, dass ich es beinahe nicht wahrhaben kann!" Verdutzt löse ich mich aus der Umarmung und schaue ihr in ihre braunen Augen.
„Natalie, du bist heute so emotional!"
„Ja, es tut mir leid, morgen geht es mir bestimmt wieder besser!"
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Die Sterne sind gegen Uns | H. S.
Fanfiction"Ich würde alles tun, um bei dir bleiben zu können!" "Für immer?" "Für immer!" Ein Versprechen, nur in Sand geschrieben. Ein Versprechen, was zu halten sie nicht fähig waren, denn es war nicht nur irgendeine Welle, die dieses Versprechen nichtig m...