Kapitel 49

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„Was?", frage ich ihn entgeistert. Doch seine ruhige, erklärende Stimme beschwichtigt mich sofort.

„Was kann ich denn anderes machen, wenn er dich als Druckmittel benutzt, Luna? Louis muss sterben. Und zwar sehr glaubwürdig!" Gerade, als ich mich wieder entspannen möchte, wird mir aber klar, dass das ganze so einige Probleme mit sich bringen kann.

„Wie wirst du das anstellen?"

„Ich habe eine Idee. Lass uns einfach beten, dass Zach es schluckt!" Er klingt niedergeschlagen, fast schon hoffnungslos, als würde er selber nicht daran glauben, dass das funktionieren würde.

„Okay", erwidere ich daraufhin ebenfalls verunsichert.

„Ich sollte mich am besten jetzt sofort darum kümmern!"

„Soll ich mitkommen?" Sein Blick wird weich, als er mit seiner Hand mein Kinn leicht anhebt, damit er mir genau in die Augen sehen kann.

„Nein.", sagt er sanft. „Du kannst mir nicht mit allem helfen, toku marama."

Diese kitschige Bezeichnung aus unserer Kindheit lässt mich zwar die Augen verdrehen, aber dennoch muss ich unwillkürlich anfangen zu schmunzeln.

„Sei aber bitte vorsichtig!"

Jetzt zeigt auch er mir seine wunderbaren Grübchen.

„Bin ich doch immer!"

„Wem willst du hier einen Bären aufbinden?"

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Meine Gefühlslage muss schon wirklich erstklassig aus dem Gleichgewicht gebracht worden sein, dass sich mir angesichts der gegenwärtigen und bevorstehenden Probleme, trotzdem immer wieder ein Lächeln aufs Gesicht schleicht. Das heißt, neben meinen in Gedanken versunkenden Grübelmomenten. Ich mache mich daran den Bartresen zu putzen, während Natalie mit einer neu aufgenommenen Bestellung auf mich zu kommt.

„Wir haben neue Gäste an Tisch Vier, übernimmst du kurz? Ich muss in den Vorratskeller!"

„Ja klar!", versichere ich ihr schnell und stelle meine gegenwärtige Tätigkeit ein. Noch in Gedanken versunken und nach meinem kleinen Schreibblock suchend, mache ich mich auf den Weg zu Tisch Vier, doch bleibt mir plötzlich die Luft zum Sprechen weg, als ich unsere Gäste gerade begrüßen will.

Ich wusste, dass dieser Tag kommen wird, nur wusste ich nicht wann. Wieso gerade jetzt? Jetzt, wo ich Harry erst recht nicht mehr alleine lassen kann! Ich wusste es, verdammt. Nur seit gestern Abend wurde mir noch tausend Mal deutlicher bewusst, dass ich diese Menschen vor mir nicht sehen kann, ohne dass mir auf der Stelle übel wird. Als müsste ich mich wirklich übergeben müssen stürme ich los in Richtung Toilette. Der Hand, die mich noch zurückhalten wollte, konnte ich mich zum Glück entziehen, sodass lediglich leichte Kratzspuren der langen, künstlichen Fingernägel an meinem Handgelenk zurückbleiben. In der kleinen Kabine angelangt, schaffe ich es nicht weiter als zum Waschbecken. Die Übelkeit ist zum Glück so schnell verflogen wie sie gekommen war, aber dennoch fühle ich mich, als wäre ich geradewegs in einen Alptraum gestolpert, als wäre dieser kurze Augenkontakt mit diesen teuflischen Augen nicht real gewesen. Mit zittrigen Händen drehe ich den Wasserhahn auf und spritze mir eiskaltes Wasser ins Gesicht, in der Hoffnung, dass ich es mir nur eingebildet habe. Doch als ich gerade nach einem Handtuch greifen möchte und ich die Augen öffne, sehe ich nicht nur mich in dem kleinen Spiegel vor mir. Ich unterdrücke einen Schrei, als ich mich zu den beiden Gestalten umdrehe. Wieso machen sie mir so eine Angst? Ich kenne Susan und Charles Styles fast mein ganzes Leben lang, sie waren wie eine zweite Familie für mich. Sie sind nicht die wahren Bösewichte in diesem Psychospiel. Und dennoch scheint mein Unterbewusstsein sie für all den Kummer verantwortlich zu machen, den Harrys Verschwinden verursacht hat. Und viel schlimmer noch ist, dass sie für all das Leid verantwortlich sind, was Harry widerfahren ist.

Die Sterne sind gegen Uns | H. S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt