Dankbar setze ich mich auf die gepolsterte Bank in der Ecke neben die leise brummende Heizung. Als ich erkannt habe, dass ich zufällig auf dem Parkplatz eines Museums gehalten habe, welches ich noch nicht besucht habe, bin ich ohne zu zögern ausgestiegen und habe mir für den läppischen Preis von vier Pounds eine Karte für die Führung durch die Kunstabteilung gekauft. Es gibt nichts Besseres um nach einem so nervenaufreibenden Start in den nächsten Tag auf andere Gedanken zu kommen.
Ich schaue auf meine silberne Armbanduhr. Noch zwei Minuten bis die Führung beginnt.
Mein Blick schweift über die wartenden Menschen und bleibt an einem kleinen Geschwisterpaar hängen, welches ganz vertieft in ein Spiel auf einem schwarzen Tablett ist. Es sieht nicht so aus, als würden sie sich für irgendetwas in diesem Museum interessieren.
Ich weiß noch genau, wie Harry und ich immer das gesamte Gebäude erkunden wollten, waren wir mal zusammen in einem Museum. Sei es mit der Schule oder mit unseren Eltern gewesen, wir wollten immer länger dableiben als alle anderen und waren immer die, die am Ende von den Angestellten wieder eingesammelt werden mussten. Obwohl Harry immer in die Technikabteilung wollte, ist er solange in der Kunstabteilung mit mir geblieben, wie ich wollte.
Ein lautes Händeklatschen lässt mich aufzucken und ich schaue immer noch leicht lächelnd zu dem Museumsführer, der die Teilnehmer durchzählt.
„Super, dann können wir beginnen!", fängt er mit einer überraschend hohen Stimme an zu reden, die einem neben seinem beinahe jungenhaften Aussehen ein zusätzliches Gefühl vermittelt, man rede mit einem Schulkind. Seine runde Harry Potter-Brille und seine verwuschelten Haaren unterstreichen die Tatsache, dass er aussieht, als wäre er hier fehl am Platz und wüsste nicht so richtig, was er sagen soll.
„Mein Name ist Joe, und ich werde euch heute ein wenig durch unsere neu renovierte Kunstabteilung führen und euch etwas unnützes Wissen über einzelne Gemälde vermitteln." Ein Lachen geht durch die Menge und ich frage mich, ob ich die einzige bin, die diesen Typen absolut nicht lustig findet. Ich wusste nicht, dass Museen auch Schüler einstellen, die solche Rundgänge als Nebenjob machen, um sich etwas Taschengeld dazuzuverdienen. Hat er überhaupt Ahnung von dem, was er uns eigentlich erzählen soll?
Eine leise Vorahnung beschleicht mich und ich ahne bereits, warum der Preis dieser Führung ausgerechnet an einem Wochenende so reduziert wurde. „Wenn ihr Fragen habt, könnt ihr sie jederzeit stellen, allerdings kann ich nicht garantieren, dass ich sie euch alle beantworten kann!" Wieder sehe ich nur in grinsende Gesichter um mich herum. Wenn er keine Ahnung hat, wieso darf er überhaupt diese Führung machen?
Ich versuche meine Skepsis diesem Jungen gegenüber zu verdrängen und versuche wieder optimistischer zu denken. Vielleicht überrascht er mich ja noch. Und wenn nicht bin ich immer noch hauptsächlich wegen der Gemälde hier.
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Seit einer geschlagenen halben Stunde hetzen wir nun schon durch die einzelnen Gänge und ich wurde in meinen anfänglichen Zweifeln an Joe bestätigt. Lediglich oberflächliche Informationen über die einzelnen Künstler werden uns stotternd vorgetragen, als würde er einen Vortrag in der Schule halten müssen vor einem Lehrer, der ihn sichtlich einschüchtert. Es fehlt jegliches Interesse in seiner Stimme und Interpretationsansätze zu den einzelnen Gemälden oder wenigstens ein paar Hintergrundinformationen zu der Entstehungsgeschichte der Bilder, damit wir uns selber Gedanken zu der Aussage des Künstlers machen können, liefert er uns auch nicht.
Und selbst wenn, wir hätten sowieso keine Zeit die einzelnen Gemälde näher zu betrachten oder über diese nachzudenken, wenn wir in so einem Tempo hier durchrennen.
„Hogarth war mit Jane Thornhill verheiratet und verstarb am 26. Oktober 1764. Ebenfalls in London." Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun? Ich will doch keine stumpfen Daten zu seinem Leben hören, sondern seine Beweggründe, dieses Motiv zu wählen; die Sozialkritik in dieser moralischen Bilderfolge, welche die unglückliche Ehe des Sohnes eines verarmten Adeligen mit einer reichen Bürgertochter schildert. Hätte ich William Hogarth nicht schon im Studium durchgenommen und wüsste ich nicht selber das Wichtigste über ihn und seine Werke, hätte ich spätestens jetzt der Gruppe den Rücken gekehrt um noch mal am Eingang zu beginnen.
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Die Sterne sind gegen Uns | H. S.
Fanfic"Ich würde alles tun, um bei dir bleiben zu können!" "Für immer?" "Für immer!" Ein Versprechen, nur in Sand geschrieben. Ein Versprechen, was zu halten sie nicht fähig waren, denn es war nicht nur irgendeine Welle, die dieses Versprechen nichtig m...