„Dieser verfluchte Wichser", wiederholt Jacob zum hundertsten Mal, als wir durch das stockdunkle Waldstück vor Allingtons Anwesen laufen. Ich antworte ihm nicht. Harry hat sich den ganzen Tag schon genug über Iwanow aufgeregt.
„Warum habt ihr mir nicht Bescheid gesagt? Ich wäre vorbeigekommen und hätte ihm seinen beschissenen Elektroschocker selber ganz tief in seinen Arsch gesteckt!"
„Du bekommst bestimmt noch deine Chance", meint Harry trocken.
„Was wollte er überhaupt von dir?"
„Reden", mische ich mich letztlich doch in das Gespräch ein.
Ich höre Jacob schnauben. „Wundert mich, dass er nicht gleich 10 seiner bescheuerten Beruhigungsspritzen mitgebracht hat, um sein Lieblingsversuchsobjekt zurückzubekommen."
„Er wollte, dass ich ihn umbringe", höre ich Harrys Stimme sagen. Ich hätte ihn gern angesehen, wenn es nicht so stockfinster wäre, deshalb drücke ich nur kurz sanft seine Hand.
„Ach, also diesmal ein außerlabormäßiges Experiment. Schade, dass es nicht funktioniert hat, ich hätte mich nicht zurückhalten können."
Die Wut in Jacobs Stimme lässt mich die Grausamkeiten der letzten Jahre nur erahnen und ich möchte schon nicht weiter darüber nachdenken.
Bald ist es vorbei, bald ist das alles hier vorbei.
„Ich bin mir sicher, dass Iwanow weiß, dass Harry niemanden umgebracht hat.", spricht Jacob eine Vermutung aus, die mir selber vorhin gekommen ist.
Er könnte es, waren seine Worte.
„Ihm geht es nur darum zu testen, ob man so eine intelligente Person, wie Harry es ist, dazu bringen kann zu glauben, was man will. Und wenn es so wie ist, ihn machen zu lassen, was man will."
Bevor ich weiter darüber nachdenken muss, erkenne ich endlich von weitem die Umrisse der beleuchteten Villa, in der wir vor weniger als 24 Stunden erst gewesen sind. In der sich Sean und Daniel Allington irgendwo in Sicherheit wiegen, hinter einer sandsteinfarbenen Mauer aus Blut und Lügen, die sie sich über fünf Jahre lang aufrechterhalten haben. Und welche hoffentlich bald zusammenstürzen wird.
„Habt ihr das Diktiergerät?", frage ich zur Absicherung, als wir stehen bleiben. Harry tippt zur Antwort an seine rechte Jackentasche. Ich atme tief ein und aus. Ich will das alles nicht.
„Passt auf euch auf, okay?" Harry zieht mich an seine Brust und ich schlinge meine Arme um seinen Oberkörper. Dabei spüre ich, wie sich das harte Metall der Waffe in seinem Hosenbund gegen meine Hüfte drückt. Das letzte Souvenir von Zach. Mir stellen sich die Härchen in meinem Nacken auf.
„Das ist das letzte Mal, dass ich sie benutzen werde", hat Harry mir vorhin versichert, als er das Ding plötzlich unter seinem Fahrersitz hervorgeholt hatte. Ich weiß, dass er es ernst gemeint hat, aber beruhigt hat es mich nicht.
„Ist das denn wirklich notwendig?", wollte ich aufgewühlt von ihm wissen.
„Notwendig und sicher." Für ihn ist es nichts Neues, das von den Leuten zu bekommen, was er möchte. Auch wenn es nur ein Geständnis ist. Aber genau das macht mir Angst. Dass er wieder jemandem wehtun könnte und damit ein Stück weit mehr zu dem Menschen wird, den Iwanow in ihm gesehen hat und den Harry so lange Zeit selber in sich gesehen hat, jedes Mal, wenn er in den Spiegel geguckt hat.
Mit einem Kuss auf meine Stirn löst er sich aus der Umarmung.
„Wenn irgendwas nicht nach Plan läuft verschwindest du von hier, okay?" Nie im Leben. Harry drückt mir seinen Autoschlüssel in die Hand. „Ich will nicht, dass du in diese Scheiße mit reingezogen wirst." Ich bin doch schon mitten drin.
Trotzdem nicke ich zur Antwort und Harry macht auf dem Absatz kehrt, um sich zu Jacob zu gesellen, doch ich halte ihn an seinem Arm noch einen Moment zurück. Ich fahre mit meinen Händen zu meinem Nacken und öffne den Verschluss meiner Mondkette. Zitternd greife ich nach seinem Arm und lege sie in seine raue Handfläche.
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Die Sterne sind gegen Uns | H. S.
Fanfiction"Ich würde alles tun, um bei dir bleiben zu können!" "Für immer?" "Für immer!" Ein Versprechen, nur in Sand geschrieben. Ein Versprechen, was zu halten sie nicht fähig waren, denn es war nicht nur irgendeine Welle, die dieses Versprechen nichtig m...