Kapitel 44

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Ich schließe unverzüglich meine Augen in der Hoffnung, dass das gerade nicht wirklich passiert und versuche mit einem Schreien alle umstehenden Geräusche zu übertönen. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, in der ich nur erstarrt darauf warte, dass sich der Wagen überschlägt oder wir auf einen Abgrund zurasen. Erst als der erlösende und überraschend schmerzfreie Aufprall das Auto zum Stillstand bringt, verstumme ich und traue mich wieder zu blinzeln.

„Sind wir tot?", frage ich völlig neben der Spur. Doch Harrys Antwort lässt mich erleichtert aufatmen.

„Weil wir mit 10km/h gegen einen Baum gerollt sind?" Ich versuche die Situation zu erfassen und wollte schon anfangen mich darüber aufzuregen, dass dieses Auto schon wieder in die Werkstatt muss und mein Monatsgehalt zu minimieren droht, als ich von der Seite sehe, wie Harry sich ein Lachen nicht verkneifen kann.

„Was ist?", blaffe ich ihn genervt an.

„Nichts... ich dachte nur, dass Reinhardt irgendwann von selber auseinanderfallen würde, aber du hast kurzen Prozess mit ihm gemacht!" Empört schlage ich ihm auf den Oberarm. Wie kann er sowas sagen? „Was denn? Ich glaube, das ist sowieso besser für ihn, so muss er nicht länger leiden!"

„Ich fasse es einfach nicht, Harold Styles!"

„Wow, ich bin nicht derjenige, der grade dein Auto ermordet hat. Nur weil du es nicht übers Herz bringen konntest, auf dieses verfluchte Reh draufzuhalten!"

„Ich kann doch nicht einfach so ein unschuldiges Tier töten!", versuche ich mich zu verteidigen.

Doch er versucht ebenso beleidigt zu klingen: „Ach aber mein Leben leichtfertig aufs Spiel setzen ist in Ordnung?"

„Du hast es verdient!"

Ich weiß, dass er nicht ernsthaft wütend ist, er amüsiert sich zu gerne über meine dummen Fehler. Nach einer kurzen Zeit der Stille, ergreift er wieder das Wort: „Ach komm, hör auf zu schmollen, ich krieg Reinhard schon wieder hin. Und jetzt lass uns gehen, sonst kommen wir heute nicht mehr zuhause an!"

Ich kann nur ein Seufzen zustande bringen, als ich Harry dabei beobachte wie er das Auto verlässt, bevor auch ich mich dazu aufraffen kann. Deprimiert öffne ich die Fahrertür, als ein stechender Schmerz beim Auftreten meine Aufmerksamkeit auf sich lenkt.

„Bist du verletzt?", höre ich Harry ehrlich besorgt fragen, der sofort an meiner Seite ist. Aber ich winke bloß ab.

„Nein das ist schon vorher passiert, es ist nichts Schlimmes. Ich bin vorhin umgeknickt als ich aus dem Fenster gesprungen bin!" Dass es gefühlt fünf Mal schmerzhafter geworden ist verschweige ich ihm. Diesen Triumph gönne ich ihm nicht.

„Und dann bist du trotzdem Auto gefahren?", hakt er skeptisch nach.

„Es hatte nichts mit meinen Fahrkünsten zu tun, dass dieses blöde Reh mir vor das Auto gesprungen ist!" Wir schauen uns lange in die Augen. Er glaubt mir nicht. Mist! Doch er zuckt nur belustigt mit den Schultern und entfernt sich wieder von mir.

„Na dann! Lass uns gehen!" Also los, Luna, tief durchatmen. Das tat nur so weh, weil du vergessen hattest deinen Fuß zu schonen. Doch Sekunden nach dem ich versuche mit dem verletzten Fuß erneut aufzutreten, finde ich mich schon auf allen vieren auf der dreckigen Wiese wieder. Na toll, sowas kann auch nur mir passieren.

Enttäuscht von mir selber, dass ich schon wieder gegen Harry verloren habe, verschränke ich die Arme vor der Brust. Mal sehen wie lange er braucht, bis er merkt, dass ihm keiner folgt... Ich beobachte seine sich entfernende Gestalt von hinten, bis er sich interessiert umdreht und ich wollte schon anfangen die Sekunden zu zählen, bis er mich auslacht, doch ich komme noch nicht einmal bis zur Eins. Doch sein Lachen verebbt schnell, als er näherkommt und meinen Schmollmund betrachtet. Stattdessen setzt er sich neben mich in das kalte Gras und wir schweigen für ein paar Minuten.

Die Sterne sind gegen Uns | H. S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt