Kapitel 43

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Eine Woche gefangen im Krankenhaus! Das war mal wieder eine Horrorwoche. Gut, Besuch hatte ich ja, aber trotzdem war es total schlimm. Riven, Jack und Tyler kamen mich an einem Tag auch besuchen. Dieser Tag war wirklich sehr angenehm. Meine Freunde haben nicht einmal so viele Sachen über den Unfall gefragt. Nur wieso ich die Tabletten geschluckt habe, mehr nicht. Ich denke mal, dass nun fast jeder weiß, dass Matthew an dem Mist Schuld ist.

Die Zeit im Krankenhaus ging aber auch vorbei. Mein Körper erholte sich recht schnell von dem Ganzen, trotzdem war ich noch für eine weitere Woche krankgeschrieben. Diese weitere Woche durfte ich aber Gott sei Dank Zuhause verbringen. Im Krankenhaus kam ich nach einem Tag von der Intensivstation auf eine normale Station in ein Zimmer mit mehr Privatsphäre, ohne diese dummen Fenster. Ich fühle mich zwar immernoch schlapp, aber mir geht es nun um Welten besser!

Meine Mutter ist auch vorgestern abgereist. Ich sagte ihr, dass ich schon wieder gesund werde und ich mich um mich selbst kümmern kann. Ich habe zur Not ja noch Josh und Amber, die sowieso die ganze Zeit fragen, ob es mir gut geht. Amber ist jeden Tag hier und bringt mir die Hausaufgaben, die ich nachholen muss. Gut, die meisten Aufgaben habe ich nur von ihr abgeschrieben, vor allem Mathe. 

Das einzige, was mich momentan nervt ist, dass ich meine Haare nicht waschen darf! Ich fühle mich echt dreckig. Vor ein paar Tagen wollte ich meine Haare mit Trockenshampoo besprühen, was sich aber als keine plausible Idee herausstellte. Meine Wunde fing an wie höllisch zu brennen und ich habe echt vor Schmerz geschrien. Oh, ich fühle mich so unwohl. Ich habe die Haare jeden Tag als Dutt hochgesteckt und sie fühlen sich gar nicht mehr wie Haare an.  Eigentlich sollte das das letzte meiner Probleme sein, ist mir aber total wichtig. Fettige Haare gehen gar nicht. Aber in zwei Tagen darf ich wieder meine Haare waschen. Am Montag darf ich wieder in die Schule. Ich weiß gar nicht, ob ich mich freuen oder weinen soll. Dann sehe ich Claras dummes dreckiges Gesicht und Matthew, den ich erst Recht nicht sehen will. Am besten wäre es, wenn er in einen anderen Staat auswandern würde, da müsste ich mich nicht mit ihm und seiner Existenz auseinandersetzen. Seine Abwesenheit hat mir wirklich geholfen, ihn etwas zu vergessen, trotzdem war ich immernoch total verletzt von dem Ganzen und der Anblick von ihm und Clara auf der Treppe geht auch nicht aus meinem Kopf. Vor allem, weil es in unserem Haus auf unserer Treppe war! Wie kann er sowas nur tun? Die Frage stelle ich mir immernoch. Wie betrunken muss ein Mensch sein, seine 'Freundin' in ihrem eigenen Haus zu betrügen? 

Aber hey, Arschlöcher gibt es überall. Und ich durfte auch mal erleben, wie man sich verliebt und verletzt wird.

So wie ich Ben immer verletze.

In der letzten Zeit habe ich viel an Ben gedacht. Ich starrte immer wie gebannt auf mein Handy in der Hoffnung, er schreibe mir. Vergeblich.

Tage vergingen und ich sah ihn auch überall Online, aber nie hat er mich angeschrieben oder mich angerufen. Ich habe ihn wohl wirklich sehr verletzt. 

Es ist ja das Gleiche, nur nicht so extrem wie bei Matt.

Ben liebt mich, aber ich liebe ihn nicht. Er sah mich mit Matt zusammen und es tat ihm bestimmt auch so weh, wie mir der Anblick mit Clara und Matthew wehtat.

Ich muss echt genau so ein Arschloch sein, wie Matthew es ist. Ja, jetzt nicht in der gleichen Hinsicht, aber Ben ist auch verletzt. 

Und dabei wil ich das alles gar nicht! Wieso muss Ben mich nur lieben? Ich finde ihn ja süß und nett. Gut sieht er auch aus, das sogar verdammt gut. 

Damals war er in der Grundschule schon der Schwarm der Mädchen. In der ersten Klasse fanden ihn die Viertklässlerinnen sogar voll süß und so. Er war umgeben von Mädchen, aber er hat die nie angeschaut. Als wir dann älter wurden, sagte er immer zu den Mädchen, dass er alle von ihnen nicht mag und nur mit mir spielen will. Das war etwa in der dritten Klasse und dann wurde ich von allen Mädchen gehasst. Nicht offensichtlich, aber sie haben es mich spüren lassen. Und ab der fünften Klasse ging es wieder bergauf. Die Mädchen befreundeten sich wieder mit mir, weil ich einen total gutaussehenden Bruder habe. Na ja, wenn mein Zwillingsbruder gut aussieht, wieso sehe ich dann nicht so gut aus und wieso rennen mir nicht die Typen hinterher? Besser so. Keine Lust so wie Clara dazustehen. Ich habe meine wahren Freunde getroffen und werde sie nie wieder hergeben. Ende der Geschichte. 

Und ich werde einsam und allein sterben.

Dann treffe ich wieder mit Jeremy zusammen und wir leben für immer auf dieser Insel. 

Ich verbannte die Gedanken an diesen Traum oder was auch immer das war und schaute auf den Fernseher. Gerade lief nichts besonderes im Fernsehen, also schaltete ich durch die Kanäle.  Ich lag auf der Couch im Wohnzimmer, zugedeckt und eingekuschelt mit einer Tasse Cappuccino vor dem Fernsehen. So lief eigentlich meine ganze Woche ab. Ich ruhte mich aus und schlief. Dann kam Amber nach der Schule und redete mich voll.

Der Tag heute ist ziemlich grau und dunkel. Draußen schien den ganzen Tag keine Sonne und das Tageslicht kam nur ganz leicht zwischen den Wolken hindurch. Es  hatte gestern Nacht stark gewittert und ich war froh über unseren Blitzableiter, der starke Arbeit leistete. Oh Danke 21. Jahrhundert. 

Seufzend machte ich mich auf den Weg in die Küche, um mir etwas zu essen zu machen. Ich schaute mich im Kühlschrank um und fand nichts. Seit Tagen bestellten wir uns Essen oder Joshua fuhr was holen. Der Kühlschrank war wie leer. Im Eisfach befand sich noch eine Pizza,die wieder ihren Platz im Backofen einnahm. Ich setzte mich an die Theke  und trank noch einen Kaffee. Die Decke habe ich mir um die Schultern geworfen. 

An der Tür klingelte es und ich sah Joshua durch den Flur hinlaufen. Ist mir recht egal wer es ist, ist sowieso Amber oder irgendeiner seiner Freunde. 

Mein Hund Daisy legte ihren Kopf auf meine Oberschenkel und sie kuschelte sich an mich. Ich kraulte ihr Ohr und redete mit piepsiger Stimme auf sie ein. Als ihr Betteln nicht aufhörte stand ich auf, um ihr einen Hundeknochen aus dem Vorratsschrank zu holen. Ich holte das Glas aus dem Schrank und als ich die Tür schloss, erschreckte ich mich zu Tode!

Das allzu bekannte Gesicht stand aufeinmal vor mir. Als ich die Tür geschlossen hatte vom Schrank sah ich ihn. Wir beide starrten uns an und schließlich wand er den Blick ab und schaute auf das zerbrochene Glas mit Hundeknochen, das auf dem Boden in Scherben lag.

"Daisy!" schrie ich sie an und schubste ihre Schnauze von den Scherben weg. Sie schaffte es noch, sich einen Hundeknochen herauszufischen und verschwand dann in ihren Korb, der neben dem Fernseher stand.

Mein Blick schweifte vom zerbrochenen Glas zu Ben, der mich immernoch anschaute. Sein Blick war emotionslos und er sah besser aus als das letzte mal, wo ich ihn sah. Seine Augenringe waren verschwunden und er hat wieder Farbe im Gesicht.

Das schlechte Gewissen in mir meldete sich wieder und ich schluckte, um die Tränen fernzuhalten. 

"Hi" sagte er zu mir mit trauriger Stimme "ich helfe dir".

Er stieg über den Haufen Glasscherben und holte den Handbesen aus der Abstellkammer. Dann kniete er sich vor mir hin und kehrte alles auf. Er machte sich sogar die Mühe, die Knochen von den Scherben zu befreien und legte sie hoch auf die Theke. 

Als ich merkte, dass ich wie versteinert mitten in der Küche stand, nahm ich die Knochen von der Theke und verstaute sie in einem neuen Gefäß, welches ich wieder in den Schrank tat. Ben schaute mich wieder an und ich ihn auch. Es war total komisch. Irgendetwas war im Raum, das mich ziemlich unangenehm fühlen ließ. Es ist, als würde ich einem Fremden gegenüber stehen.

Ich räusperte mich "Dankeschön".

"Kein Problem, Evie" meinen Namen sagte er mit einem ironischen Unterton, den ich nicht interpretieren konnte.

Ich verzog meine Lippen zu einem leichten Lächeln und verschränkte die Arme vor der Brust. Ben ging an den Kühlschrank und holte sich ein Bier raus. 

"Geht es dir besser?" fragte er mich, als er die Flasche öffnete.

"Ja" murmelte ich und verstummte, weil ich nicht wusste, was ich noch sagen sollte.

"Das ist ja toll" er musterte mich "Und die Wunde?" 

"Ist wie eine Wunde" beendete ich den Satz.

"Gut zu wissen" zuckte er mit den Schultern "Hätte ich mir nie zu denken gehofft, dass es wie eine Wunde ist."

Ich zog meine Augenbrauen hoch und musterte ihn. Ich kam mir ziemlich dumm vor. 

"Und wie geht es dir?" fragte ich ihn, um das Schweigen im Raum zu unterbrechen. 

Er ging nun aus der Küche und schaute mir nur kurz über die Schulter nach, als er redete.

"Kannst du dir vorstellen. Nach deinen Worten geht es mir elend"

Und mit diesen Worten ließ er mich in der Küche stehen, die Augen mit Tränen gefüllt. 

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