Mir ist schlecht. Nein, mir ist speiübel. Angstschweiß tropft von meinen Schläfen und dieses Mal liegt es nicht nur an der Magie. Tristan hantiert die letzten Stunden an irgendwelchen Steinen herum, die ich in den Ursprung oder zumindest in die Nähe davon werfen soll. Ich wollte ihn überreden, dass er es besser selbst macht, weil meine Werfkünste nicht die Besten sind, doch er hat mich einfach abgewimmelt. Er meinte, ein schlechter Werfer sei immer noch effektiver als ein blinder Werfer. Damit kann er aber auch ganz schön falsch liegen.
Max und Lara feilen an ihrer Idee den Wachmann abzulenken. Die Hexen machen es uns eigentlich schon fast zu leicht. Sie vertrauen wohl so sehr auf ihre Magie, dass der Eingang kaum bewacht ist. Es muss einen Haken dabei geben, aber ich komme einfach nicht darauf. Es ist bestimmt eine Falle, denn kein gescheites Gefängnis ist so nachlässig geschützt.
Ich kaue geistesabwesend auf meiner Lippe herum. Je länger ich auf diese flimmernden Symbole starre, desto deutlicher sehe ich sie. Am Anfang dachte ich, dass sie nur aus gröberen Funken bestehen, doch es schwirren hauchdünne Schnörkel und Verzierungen in den Zwischenräumen herum. Sie schimmern wie unscheinbare Details aus dem Gemälde hervor.
Mein miserables Gefühl, wenn ich in der Nähe von Zaubern bin, ist minimal Abgeklungen. Anscheinend hatte Tristan recht, denn mit der Zeit habe ich mich wohl an sie gewöhnt. Das heißt aber nicht, dass ich sie nicht mehr wahrnehme. Um ehrlich zu sein, ist das Gegenteil der Fall. Jeder noch so kleine Funke schlägt auf meine Sinne wie ein Vorschlaghammer ein.
"Seid ihr bereit?"
Die tiefe Stimme des Schwarzhaarigen reißt mich aus meinen Gedanken und schlagartig zittere ich vor Angst. Ich will nicht in das Gefängnis! Ich will nicht in die Nähe dieser Schutzwände aus Magie! Und ich will erst recht nicht diese verfluchten Steine dagegenschmeißen! Am liebsten würde ich aus voller Kehle "Nein!" schreien, doch stattdessen nicke ich stumm.
Meine Mund ist staubtrocken und mein ganzes Blut ist aus meinem Kopf gewichen. Wahrscheinlich bin ich leichenblass und gerade bin ich froh darüber, dass ich mich nicht sehen kann. Die Verdrängungstaktik, es würde mir gut gehen, kann ich nur solange aufrechterhalten, bis ich eines Besseren belehrt worden bin und das möchte ich vermeiden.
"Dann belabern wir einmal den Mann. So wie er aussieht, freut er sich über eine Ablenkung. Es ist das erste Mal, dass ich jemanden so lange vollquatschen darf, wie ich möchte! Das sollte ich genießen und rot in meinem Kalender eintragen", brabbelt Lara in Windeseile und schlendert mit ihrem kleinen Bruder im Schlepptau auf ihn zu.
Tristan hält mir auffordernd die Steine hin und mit bebenden Fingern versuche ich sie hochzuheben. Plötzlich umschließen seine warmen Hände meine klammen und erschrocken schnappe ich nach Luft, während mein eh schon rasendes Herz zu einem weiteren Sprint ansetzt.
"Bekomm das Zittern in den Griff und beruhig dich. Man macht die meisten Fehler, wenn man sich nicht mehr unter Kontrolle hat."
Seine selbstsichere Ausstrahlung nimmt mich vollkommen ein, weshalb ich tief durchatme, um meine Gedanken und Gefühle zu sortieren. Dieser Idiot hat schon wieder recht! Allein diese Tatsache ärgert mich, gleichzeitig verdrängt sie damit auch meine Angst. Egal, was passieren wird, er wird dabei sein und auf mich aufpassen. Meine Muskeln entspannen sich und das Schlotter hört schleichend auf.
"Die Beiden sind jetzt bei ihm angekommen und locken ihn in den toten Winkel."
Das ist mein Zeichen. Mit weichen Knien stehe ich auf und flitze auf den Platz, von dem ich am besten werfen kann. Meine Finger krallen sich in den harten Gegenstand und mein Verstand setzt für einen Moment einfach aus.
Wie als würde ich das Geschehen von außen betrachten, hebe ich meinen Arm und schmettere die Steine in die funkelnden Blumen. Mein Herzschlag ist erstaunlich ruhig und ein stolzes Kribbeln prickelt unter meiner Haut, als die schimmernden Lichtbahnen in Millionen Funken zerbersten. Ich bin wie versteinert von dem bezaubernden Anblick. Die glänzenden Splitter schweben wie dutzende Glühwürmchen durch die Luft, bevor sie im Nichts verschwinden.
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Durch den Nebel - Jenseits aller Regeln
Fantasy"Gehe nicht mit Fremden mit!" Jeder kennt diese Warnung, aber niemand kann sich alle Konsequenzen bewusst machen, die bei einer Missachtung folgen. Es ist alles möglich und nichts ist sicher. So muss auch die Studentin Alexandra ins kalte Wasser spr...