Kapitel 36

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Kalt. Mir ist so kalt. Wieso tut mir alles weh? Ich stöhne schmerzhaft auf, als ich das schwere, raue Eisen an meiner Haut spüre. Warum bin ich gefesselt? Wo bin ich? Mein Gesicht kratzt über einen feuchten und schlammigen Boden, während sich spitze Steine in meinen Bauch rammen.

Was ist passiert? Ich habe draußen auf irgendwen gewartet und dann stand plötzlich jemand hinter mir und ab da kann ich mich an nichts mehr erinnern. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und ein eisiger Schauer läuft mir über den Rücken. Ich will nicht wieder eingesperrt werden! Panik breitet sich in meinem Körper aus und mein Puls rauscht in meinen Ohren. Ich muss einen Fluchtweg finden und zwar schnell!

Quälend wälze ich mich auf eine Seite und zerre an den Fesseln, die meine Hände und Füße aneinander ketten, doch es ist vollkommen egal, wie sehr ich mich verrenke, ich kann die Schlösser nicht ertasten. Außerdem hätte ich nicht einmal etwas dabei, um mich zu befreien. Müde schließe ich meine Lider. Ganz ruhig. Solange ich noch klar denken kann, ist alles halb so schlimm. Es ist bloß stockfinster und ein muffiger Gestank liegt in der Luft. Da war ich schon einmal in schlimmeren Situationen.

Tränen brennen in meinen Augen, aber ich dränge sie zurück. Ich darf jetzt keine Heulsuse sein, denn wer auch immer mich hierher gebracht hat, soll mich nicht schwach sehen. Ich muss mutig und stark sein. Sie sollen merken, dass sie sich das falsche Opfer herausgesucht haben. Irgendwie verlässt mich nur nicht das Gefühl, dass ich es hier nicht mit Menschen zu tun habe.

Mein Atem beschleunigt sich, als ich federleichte Schritte wahrnehme. So leichtfüßig kann sich kein Mensch bewegen. Wieso lande ich schon wieder in so einer Situation? Was habe ich getan, dass das Schicksal mich so verachtet? Ich presse meinen Kopf gegen den kalten Stein, um meine Angst zu unterdrücken. Ich darf jetzt nicht verzweifeln! Ich komme schon irgendwie hier heraus! Aber das schaffe ich nur, wenn ich bei Verstand bleibe.

Bajaga musste jahrelang in diesem verseuchten Keller aushalten und hat es geschafft. Sie ist mein Beispiel, dass man eine Gefangenschaft überstehen kann. Es ist nicht unmöglich! Immer hecktischer sauge ich die abgestandene Luft in meine Lungen und je näher die Schritte kommen, desto stärker kann ich eine unheilvolle Präsenz wahrnehmen.

Ich kneife meine Augen zu, als sich die Tür quietschend öffnet und ein spärlicher Lichtstrahl auf mich fällt. Eine Gänsehaut überzieht jeden Zentimeter meines Körpers und kalter Angstschweiß läuft meinen Rücken hinab. Beruhig dich! Du schaffst das!, versuche ich mir verzweifelt Mut zu machen.

"Schön dich endlich wiederzusehen", säuselt eine tiefe, eiskalte Stimme und panisch reiße ich meine Augen auf. Nein! Er ist tot! Tristan hat ihn umgebracht. Das muss wieder ein Traum sein. Ich muss aufwachen und endlich aus diesem verfluchten Albtraum verschwinden! Wach auf!

"Sind wir heute abermals nicht sonderlich gesprächig? Vielleicht kann ich dir ja behilflich sein, deine Stimme wiederzufinden", flüstert er plötzlich in mein Ohr, wodurch mich seine ekligen Lippen streifen.

Mein Magen zieht sich krampfhaft zusammen und schneller als ich reagieren kann, packt er meine Haare und reißt meinen Kopf brutal nach hinten, sodass ich ihm in seine schwarzen Augen gucken muss. Ich beiße mir auf meine Wangeninnenseite, damit ich nicht schreien muss. Diese Genugtuung werde ich ihm nicht bieten und solange ich es verhindern kann, werde ich keinen Mucks von mir geben.

"So stur und eigenwillig." Mit einem amüsierten Grinsen beäugt er mich, wie eine Raubkatze. Er legt leicht seinen Kopf schief und leckt sich mit seiner Zunge über die blassen Lippen. Ich schlucke hart, als sein Blick auf meinen entblößten Hals fällt und ein genüsslicher Ausdruck über sein vernarbtes Gesicht huscht.

Will er mich gleich beißen und mir mein Blut bis auf den letzten Tropfen aussaugen? Ich hasse Vampire! Sie sind kalte Bestien, die nur von Blutgier getrieben werden! Wieso hat er mich überhaupt geschnappt? Ich meine, er hätte mich damals spielend leicht umbringen können und hat es nicht getan. Wieso also jetzt?

Durch den Nebel - Jenseits aller RegelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt