Kapitel 47

401 21 4
                                    

Völlig ausgelaugt falle ich auf mein Sofa und vergrabe mein Gesicht in einem Kissen. Das Gespräch mit Elsa war anstrengender als gedacht, denn sie hat viele Situationen hinterfragt und immer wenn ich Tristan erwähnt habe, hat sie mich komplett überfallen. Ihre Fragen ähnelten den von Bajaga, aber trotzdem waren sie vollkommen anders.

Jedes Mal, wenn ich ein Wort über diesen Idioten verlieren muss, zieht sich meine Brust schmerzhaft zusammen. Allein die Gedanken an ihn treiben mir die Tränen in die Augen und nicht nur einmal hat sich meine Stimme beim Sprechen verabschiedet. Wieso interessiert sich nur jeder für unsere nichtvorhandene Beziehung? Elsa ist seine Mutter, also hat sie noch das größte Recht zu erfahren, was ihr Sohn treibt, aber manche Sachen muss man doch nicht erzählen!

Ich konnte es nicht übers Herz bringen, ihr von den schönen Momenten zu erzählen. Wie er mich vor den Vampiren beschützt und mich auf seinem warmen Rücken zurückgetragen hat, wenn ich müde und erschöpft war oder wie er mich in den Nächten gewärmt, getröstet und auch um mich gekümmert hat, als mich die Kälte, die Angst oder der Fluch überfiel.

Ein Schluchzer zerreißt die Stille, als er aus meiner Kehle dringt. Schon wieder bin ich am weinen, dabei habe ich mir doch geschworen wegen ihm keine Träne mehr zu vergießen. Aber ich habe mir auch vorgenommen, ihn nicht mehr zu berühren und mich von ihm zu distanzieren und ich habe es nicht geschafft. Erst muss der Idiot von sich aus verschwinden, bis ich mich gezwungenermaßen an meine Vorsätze halten kann.

Wie oft bin ich unseren letzten gemeinsamen Tag gedanklich durchgegangen. Es war der perfekte Start in den Tag, weil ich in seinen starken Armen aufgewacht bin und das Erste, was ich gesehen habe, waren seine zwei funkelnden Kristalle, die mich aufmerksam musterten. Bei seinem Blick jagte ein angenehmer Schauer über meinen Rücken und ein Prickeln durchzuckte jeden meiner Muskeln. Sein Duft und seine Wärme haben mich ummantelt und für einen kurzen Moment war ich vollkommen zufrieden und glücklich.

Erst als mir meine selbstaufgelegte Regel eingefallen ist, konnte ich mich schweren Herzens von ihm befreien. Wieso habe ich die Zeit nicht länger genossen? Ich wusste doch, dass es mich verletzten wird, wenn er geht. Wie konnte ich nur so blöd sein und denken, es würde mir leichter fallen, wenn ich ihn schon vorher auf Abstand halte? Diese dumme Idee hat alles nur schlimmer gemacht, denn jetzt hocke ich hier und spiele Was-wäre-wenn mit mir selbst.

Was wäre, wenn ich ihn nicht einfach so gehen gelassen hätte, wenn ich mich an ihn geklammert hätte und ihm gezeigt hätte, wie viel er mir bedeutet? Hätte er mich dann immer noch von sich stoßen können? Wer weiß das schon.

Vermutlich war es für ihn ein Fehler, mich küssen zu wollen und die plötzliche Nähe hat ihn überfordert, genauso wie mich. Wenn ich meine Augen schließe, habe ich das Gefühl, ich würde immer noch seinen festen Griff spüren können, seine Hand in meinem Nacken und seinen Atem an meinen Lippen.

Zwei Mal durfte ich seine vollen Lippen für den Bruchteil einer Sekunde spüren. Das erste Mal war es, als wir in der Hexensiedlung waren und die komische Frau sich an Tristan herangemacht hat. Um sie loszuwerden, hat er seinen Arm um meine Taille geschwungen und mich hauchzart auf die Wange geküsst. Ich konnte seine Lippen kaum fühlen und dennoch tobte ein Sturm in mir.

Das zweite Mal war, als Konstantin lachen musste und wir auseinandergesprungen sind. Ich zähle diese Berührung nicht als Kuss. Es war weniger als ein Streifen, doch die Hitze in meinen Wangen ist anderer Meinung. Wir waren so kurz davor, tatsächlich einen gewaltigen Schritt in eine bestimmte Richtung zu gehen, die uns beide zerstören wird oder in meinem Fall, die mich schon ätzend langsam von innen heraus zerfrisst.

Ich vermisse diesen Idioten. Ich vermisse seine Neckereien, sein unbeschwertes Lachen oder seine Ruhe und Sicherheit, die er ausstrahlt. Ich vermisse seinen betörenden Geruch und seine angenehme Wärme. Ich vermisse seine blauen Augen, die mich nahezu ständig verfolgten und seine rauen Hände. Ich vermisse alles an ihm und es bringt mich um meinen Verstand.

Durch den Nebel - Jenseits aller RegelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt