Kapitel 19

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Das ist definitiv keine Glanzidee. Auf keinen Fall. Hoffentlich komme ich überhaupt nah genug an sie heran. Verdammt, können sie sich überhaupt bewegen oder sind sie mehr tot als lebendig?

Mit zügigen Schritten hetze ich auf die Pranger zu. Dabei muss ich aufpassen, dass ich nicht von der Menge entdeckt werde oder über die teilweise verbrannten Leichen stolpere. Aus ihren verkohlten Körpern sickern noch die letzten Tropfen Blut und ich muss mich zusammenreißen nicht panisch aufzuschreien, mich zu übergeben oder einen Heulkrampf zu kriegen. Der Gestank ist das Schlimmste, denn meine Augen kann ich wenigstens verschließen, aber sogar durch eine zugedrückte Nase, wird mein Sinn verpestet.

Gleichzeitig ist es diesem abscheulichem Geruch zu verdanken, dass mich die Vampire nicht riechen können und weil sie ihre Augen nicht von dem Kampf abwenden, schaffe ich es relativ gut, über das Schlachtfeld zu huschen. Außer ich stehe mir selbst im Weg, weil ich erst meinen Ekel herunterschlucken muss, um weiterzugehen.

Einfach nicht darüber nachdenken. Geh einfach immer weiter. Das ist doch gar nicht so schwer. Erst den rechten Fuß, über den eingedrückten Schädel, dann den linken über den zerfleischten Rumpf. Geht doch, es ist gar nicht so schwer. Wenn ich mir das weiter einrede, glaube ich es vielleicht bald und dann bin ich bereit für die nächste Psychiatrie, die ich wahrscheinlich nie wieder von außen sehen werde, wenn ich einmal hineingegangen bin.

Schallend grölen die Blutsauger und jubeln mit allem, was sie haben. Tristan, du musst noch durchhalten, egal wie, aber gib jetzt nicht auf, flehe ich ihn in meinen Gedanken an. Lange schafft er es nicht mehr. Der Vampir hat ihn schon öfters schwer getroffen und durch die Verletzungen werden seine Bewegungen langsamer, vorhersehbarer. Die wenigen Glückstreffer, die er landen konnte, scheinen dem Weißhaarigen nichts auszumachen. Verglichen mit der Wunde, die zu der Narbe verheilt ist, sind seine momentanen Verletzungen wahrscheinlich nur kleine Kratzer.

Ich schüttele meinen Kopf, um mich von dem Anblick loszureißen und mich auf die Gefangenen zu konzentrieren. Ich habe keine Ahnung, wer sie sind und was sie getan haben, um diese Strafe verdient zu haben, aber der Feind von meinem Feind ist mein Freund, oder?

"Wer...", murmelt ein vermutlich älterer Herr. Seine Haut ist mit entzündeten Einschnitten übersät und ich bezweifele, dass er jemals wieder gesund wird. Wieso sind alle Wesen so grausam? Mir sollten die Vampire leid tun, die abgeschlachtet wurden, doch wenn ich sehe, was sie angerichtet haben, empfinde ich nur Abscheu.

"Ich befreie euch. Euch alle...", flüstere ich ihnen zu. Ihre trüben Augen füllen sich mit Hoffnung und... Wut? Unruhig rutschen sie hin und her und zerren an den Fesseln, welche sie gefangen halten.

Zum Glück habe ich vergessen meine Hosentaschen auszuleeren, weshalb ich die kleine Haarnadel immer noch dabei habe. Ich muss mir unbedingt angewöhnen, mein richtiges Werkzeug mitzunehmen. Gut, dass für diese Verriegelungen der verbogene Haarschmuck ausreicht.

Mit geschickten Fingern öffne ich die Schlösser und die Wesen brechen keuchend zusammen. Ihre Wunden sind schrecklich. Besonders die Entzündeten machen mir Angst, denn an manchen Stellen beginnt die umliegende Haut zu verfaulen.

"Dan... ke...", röchelt mir eine verstümmelte Frau zu. Ihre Nase und ein spitzes Ohr wurden abgeschnitten und auf ihrer Stirn ist eine tiefe Furche. Stumm nicke ich nur als Antwort. Meiner Stimme vertraue ich gerade nicht und der Kloß in meinem Hals ist auch nicht sonderlich hilfreich, um etwas mehr als ein paar gestammelte Wörter herauszubringen.

Der jüngste Mann richtet sich am schnellsten wieder auf und funkelt mich mit wütenden Augen an, bevor sich ein krankhaftes Grinsen auf seine Lippen legt. Unfähig mich von dem unheimlichen Gesicht abzuwenden, starrt er mich weiter an. Er ist riesig, bestimmt über drei Meter groß und neben ihm fühle ich mich wie ein kleiner Wurm.

Durch den Nebel - Jenseits aller RegelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt