Wieso konnte ich meine Gefühle nicht noch länger ignorieren? Es ist verdammt schwer so zu tun, als hätte sich nichts zwischen uns verändert, aber es ist passiert. Ich kann ihm kaum in seine heimtückischen Augen sehen, ohne dass ich mich völlig in ihnen verliere. Egal wie sehr ich mich bemühe, mich genauso zu verhalten wie in der letzten Zeit, ich schaffe es nicht.
Ein neckisches Grinsen von ihm reicht aus, um mein Herz zum Flattern zu bringen. Eine aufmerksame Tat schenkt mir einen wohligen Schauer und eine hauchzarte Berührung beschert mir eine angenehme Gänsehaut. Mein Körper reagiert viel stärker auf ihn, seitdem ich mich von ihm distanzieren möchte. Es ist fast so, als möchte er mich für meine Entscheidung bestrafen, dabei versuche ich mich und auch Tristan nur zu schützen.
Es wird nur unnötige Probleme hervorrufen. Tristan wird mich zwangläufig verletzten müssen und ich weiß nicht, was besser oder was schlechter ist. Soll ich die Zeit, in der er seine Gefährtin noch nicht gefunden hat, genießen, meinen Verstand und mein Gewissen über Bord werfen und mich auf eine hoffnungslose Beziehung einlassen oder ist der Schmerz danach nur umso schlimmer, weil ich dann genau weiß, was ich alles verlieren werde?
Ich traue mich nicht die erste Variante zu nehmen. Ich will ihm nicht sein Glück verspielen, indem ich seine zukünftige Frau mit meiner Präsenz vergraule. Allein der Gedanke an Tristan, der mit jemand anderem zusammen ist, sticht in meiner Brust und treibt mir die Tränen in die Augen. Das ist doch völlig verrückt.
"Was...", verwirrt packe ich an meine Stirn, auf der ein kleiner nasser Tropfen herunterfließt, "Hast du mich gerade mit einer Weintraube abgeworfen?"
Tristan schaut der Schalk aus den Augen und ein belustigtes Grinsen umspielt seine Lippen. "Du bist selbst schuld, wenn du mich die ganze Zeit ignorierst", rechtfertigt er sich und steckt sich eine Traube in den Mund, "Möchtest du auch?"
Ich nicke und strecke meine Hand nach dem Teller aus, damit ich mir welche abzupfen kann, doch blitzschnell klaut er mir die Weintrauben unter den Fingern weg. Beleidigt schnaufe ich auf und keife ihn prompt an: "Was sollte das denn jetzt?"
"Du musst sie dir auch verdienen", höhnt er und funkelt mich herausfordernd an, "Also Mund auf und fangen!"
"Das ist doch jetzt nicht dein..." Noch bevor ich meinen Satz beenden kann, fliegt mir schon das erste Geschoss entgegen und trifft meine Nase, woraufhin sich Tristan lachend zurücklehnt und die nächste Traube provokant zwischen seinen Fingern hin und her rollt.
Bei seinem unbeschwerten Lachen überfällt mich ein Kribbeln und ich kann mir ein amüsiertes Kopfschütteln nicht verkneifen. Schwungvoll rücke ich etwas vom Tisch weg und hebe auffordernd meine Augenbraue, während ich meinen Mund aufreiße. Das Spiel wird er verlieren, weil Jana und ich jahrelange unsere Fähigkeiten trainiert haben.
Eine Traube nach der anderen fange ich geschickt auf und sogar wenn Tristan absichtlich etwas daneben wirft, schaffe ich es noch sie zu erwischen. Stolz recke ich mein Kinn in die Höhe, als er sich irgendwann geschlagen geben muss, weil der Teller leer ist und genüsslich kaue ich auf der letzten Frucht herum.
"Wieso überrauscht es mich nicht, dass du so einen Blödsinn tatsächlich kannst?", grinst er mich verschmitzt an und schulterzuckend strahle ich zurück. Ich habe beschlossen, dass sich meine Bedingung erst einmal nur auf den Körperkontakt beschränkt. Ansonsten möchte ich mich nicht zurückhalten und wenn wir ehrlich sind, kann ich mich auch gar nicht zurückhalten. Allein ihn nicht mehr zufällig berühren zu dürfen, ist schon eine extreme Herausforderung. Ihm zudem noch abweisend oder emotionslos zu antworten, ist für mich schier unmöglich.
Bei seiner ausgelassenen Art prickelt jeder Zentimeter auf meiner Haut und sein Lachen raubt mir meinen Atem. Tristan wirkt so viel jünger, wenn er lächelt und ich hätte vor einer Woche nie und nimmer daran geglaubt, dass ich ihn zum Lachen bringen kann. Dass er glücklich in meiner Gegenwart ist und seine sorgenvolle Miene einer entspannten weicht. Er ist auf keinen Fall ein schrecklicher Miesepeter, auch wenn er in der anderen Welt des Öfteren nicht wie ein strahlender Sonnenschein herumgelaufen ist.
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Durch den Nebel - Jenseits aller Regeln
Fantasy"Gehe nicht mit Fremden mit!" Jeder kennt diese Warnung, aber niemand kann sich alle Konsequenzen bewusst machen, die bei einer Missachtung folgen. Es ist alles möglich und nichts ist sicher. So muss auch die Studentin Alexandra ins kalte Wasser spr...