Kapitel 55

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Ich weiß nicht, wie lange wir schon in diesem Haus hocken und auf ein Ende des Kampfes warten. Max, Lara und Bajaga sind vor Erschöpfung eingeschlafen, nachdem ich tatsächlich einen einigermaßen stabilen Verhüllungs- und Schutzzauber auf die Reihe bekommen habe. Zwar brennen meine Arme jetzt, als würde ich sie in ein offenes Feuer halten, aber das war es mir wert.

Ich habe versucht eine ähnliche Nebelwolke zu finden, die auch die Magier umgeben hat, doch nur die Lindwürmer besaßen etwas annähernd Ähnliches. Also habe ich versucht von ihnen die Magie zu zapfen und die Fäden zu spinnen. Was ich nur nicht wusste ist, dass es mich von innen verbrennt, wenn ich unerlaubt von anderen Wesen ihre Magie stibitze.

Mir ist das in dem Moment so ziemlich egal gewesen. Ich musste sie irgendwie beschützen und einen kleinen Rückzugsort einrichten, damit sie sich besser erholen können. Allein, um ihre schlafenden Gesichter zu sehen, hat es sich gelohnt, die Schmerzen in Kauf zu nehmen.

Die Sonne steht schon eine Weile hoch am Himmel. Ich vermute, dass der Kampf schon mindestens über zwölf Stunden geht und bis jetzt ist kein Ende in Sicht. Auch spüre ich immer wieder diese Phantomschmerzen. An meinem Arm, dann am Bein, in meinem Gesicht oder am Bauch. Jedes Mal würde ich am liebsten vor Schmerzen schreien, doch ich halte mich zurück.

Wenn auch nur das unscheinbarste Jammern über meine Lippen huscht, dann liegen schlagartig zwei verängstigte, braune Augenpaare auf mir. Jeder Laut, den ich von mir gebe, verunsichert die Kinder und das möchte ich nicht. Allein die Unwissenheit, was in diesem Kampf alles geschieht, ist die reinste Folter, da darf ich doch nicht weiter ihre Ängste schüren.

Ich lehne meinen schmerzenden Kopf an die Wand und starre an die Decke. Wenn dieser Kampf vorbei ist und die Lindwürmer tatsächlich geschlagen werden, dann sind endlich alle in Sicherheit und können sich ein schöneres Leben aufbauen. Die Hexen wären wieder sie selbst und die Werwölfe müssten nicht ständig mit einem vernichtenden Angriff rechnen, denn wenn wir ehrlich sind, haben sie allein keine Chance gegen diese Parasiten.

Die Schlacht geht schon ewig und das obwohl die Lindwürmer durch den Zauber geschwächt sind und sogar die Hexen helfen. Auch wenn die Magie der Hexen kaum eine Auswirkung auf die Lindwürmer hat, können sie dennoch ihre magischen Attacken abwehren und die Werwölfe unterstützen. Manchmal haben die Hexen die Wölfe verhext, um sie für eine kurze Zeit schneller und stärker zu machen.

Doch derjenige, der den größten Unterschied macht, ist mein Idiot. Er kämpft wie der Tod persönlich, egal ob allein in der Luft oder zusammen am Boden. Ohne ihn hätten die Lindwürmer Stück für Stück die Oberhand gewonnen. Vielleicht hätten sie sogar gewinnen können, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ohne den Schwarzhaarigen die Verluste auf unserer Seite sehr viel höher wären.

Hoffentlich ist es bald zu Ende. Dieses Massaker geht schon viel zu lange. Die Kampfgeräusche werden zwar leiser, aber sie hören nie ganz auf. Immer wieder ertönt ein neues, aggressives Heulen oder die Lindwürmer zischen bestialisch auf.

Ich fühle mich ausgelaugt, obwohl ich kaum etwas getan habe. Meine Arme brennen vom Zauber, aber das ist auch das Einzige, was ich tatsächlich spüre. Denn im Gegensatz dazu, kann ich meine Beine beinahe nicht wahrnehmen. Ich weiß, dass sie da sein müssen, aber wenn ich meine Augen schließe kann ich nichts fühlen, außer das Brennen und meinen trägen Herzschlag.

Die Aufregung ist zusammen mit meiner Energie restlos aus meinem Körper gewichen, weshalb ich mich nur noch mit erdrückenden Sorgen und der Unsicherheit herumschlage. Ich ringe mit mir selbst, ob ich zurück zum Schlachtfeld schleichen soll, um mich über die Lage zu informieren oder ob es besser ist, wenn ich mich weiter in dem Versteck verkrieche.

Ich habe das Gefühl, dass sich Tristan besser konzentrieren kann, wenn ich nicht direkt an seiner Seite bin und er mich in Sicherheit weiß. Es kommt mir so vor, als könnte er spüren, wo ich bin und ob es mir gut geht, denn ein Teil seiner Aufmerksamkeit liegt ständig auf mir. Ich konnte seine Präsenz spüren, als ich am Rand des Marktplatzes langgelaufen bin, fast so als würde er mich beschützen.

Durch den Nebel - Jenseits aller RegelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt