Das ist verrückt... Nein. Ich bin verrückt! Ich trotte einem Hasen hinterher! Aber viel mehr bleibt mir nicht übrig. Ich hätte sonst nur weiter orientierungslos umherlaufen und mich damit nur noch in eine größere Gefahr bringen können. Auch wenn ich nicht weiß, ob der Hase eine bessere Idee ist.
Schlagartig knalle ich auf den Boden, als meine Beine wegknicken. Ich weiß gar nicht, wie lange ich diesem weißen Tier folge, aber bald schaffe ich es nicht mehr. Jeder Muskel schmerzt und meine Haut ist übersät von Schürfwunden. Ich kann nicht mehr. Meine Lunge ist staubtrocken und bei jedem Atemzug fühlt es sich so an, als würde jemand mit Schleifpapier über meine Luftröhre herziehen, um sie Stück für Stück zu zerfetzen. Schleppend raffe ich mich auf. Ich kann später jammern. Ich muss weiter machen, ansonsten kann ich mich auch gleich vergessen.
Stur kette ich meine Konzentration auf den hüpfenden Fleck und bemühe mich, alles andere zu verdrängen. Ich möchte nicht an meine vor Erschöpfung zitternden Gliedmaßen, an meinen pochenden Schädel oder an meinen schubweise auftretenden Schwindel denken. Ich will einfach nur einen Fuß vor den anderen setzten und nicht mein Bewusstsein verlieren.
Wohin bringt mich der Hase? Zu seinem Herrchen oder führt er mich nur an der Nase herum? Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache. Diese Welt ist schrecklich. Sie lacht mich förmlich aus. Die Gräser versperren mir den Weg, indem sie sich wie ein Gitter vor mir aufbauen. Anfangs dachte ich, dass ich es mir einbilde und meinen Verstand verliere, doch so ist es nicht. Der Fellball kann ohne Probleme den Weg entlang hoppeln, aber um meine Knöchel schlingen sich die Halme und bringen mich zum Stolpern. Wurzeln heben sich urplötzlich und verhaken meine Füße unter sich. Immer wieder lande ich im Dreck.
Mittlerweile sind meine Kleider vollkommen durchnässt und kleben wie eine zweite, tonnenschwere Haut an mir. Ich habe kaum die Energie meine Beine zu heben, noch kann ich richtig denken. Mein Gehirn ist wie benebelt. Allein meine Gedanken strengen mich an und die Sorgen darüber, was mich erwarten könnte raubt mir meine letzte Kraft.
Der helle Klecks springt vor mir im Kreis. Was? Wieso springt er im Kreis? Er wird immer schneller, sodass sich ein weißer Ring bildet. Das kann doch nicht sein! Verwirrt reibe ich über meine brennenden Augen. Ich muss mir das einbilden. Ein Hase kann sich nicht verformen. Ich schüttele heftig meinen Kopf. Wann begreife ich endlich, dass hier alles passieren kann?
Der weiße Ring zieht sich zusammen, wird immer kleiner, bis er sich explosionsartig ausbreitet. Erschrocken taumele ich zurück. Mir wird eiskalt und unaufhörlich schleichen Schauer meinen Rücken hinab. Was ist das? Eine Spitze bohrt sich aus dem Boden, doch es bleibt nicht dabei. Ein Dach mit gesprungenen Ziegeln und herausstechenden Holzbalken baut sich rasant auf. Die Wände des erscheinenden Hauses sind beunruhigend nach außen gewölbt, wobei der Putz sich ablöst und das einsturzgefährdete Mauerwerk entblößt. Die meisten Fenster sind zerberstet, eine paar wenige zerschlagen. Die Tür spannt gefährlich im Rahmen und scheint jeden Augenblick herauszuplatzen.
Knarzend öffnet sich die Tür, woraufhin sich meine Nackenhaare aufrichten und meine Brust sich ängstlich zusammenzieht. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, in meinen Ohren tobt ein Sturm und schwarze Schemen tanzen vor meinen Augen. Bilder von Bestien drängen sich in meinen Verstand. Monster mit messerscharfen Zähnen und Klauen aus Klingen.
Ich muss hier weg! Mein Körper fängt an zu beben und meine Knie werden weich. Ich habe das Gefühl jeden Moment zusammenzubrechen. Beweg dich! Renn weg! Egal wie panisch ich versuche meine Beine zu heben, es funktioniert nicht. Ich bin wie erstarrt. Ausgeliefert.
Die Tür enthüllt unbarmherzig eine in den Schatten versteckte Gestalt. Ein Mensch! Es sieht aus wie ein Mensch! Hoffnung entflammt in mir und taut mich schleppend auf. Der Sturm klingt ab, woraufhin ich neben meinem keuchenden Atem auch ein Gurren hören kann. Sind das Tauben?
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Durch den Nebel - Jenseits aller Regeln
Fantasy"Gehe nicht mit Fremden mit!" Jeder kennt diese Warnung, aber niemand kann sich alle Konsequenzen bewusst machen, die bei einer Missachtung folgen. Es ist alles möglich und nichts ist sicher. So muss auch die Studentin Alexandra ins kalte Wasser spr...