Kapitel 34

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Mit einem dröhnenden Kopf wache ich auf und reibe mir verschlafen über die Schläfen. Wie gerne würde ich die Kopfschmerzen auf den Alkohol schieben, doch ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich höchstens dreißig Minuten geschlafen habe, bis die Alpträume mich eingeholt haben. Außerdem habe ich gestern bei weitem nicht so viel getrunken, dass ich heute einen Kater haben müsste.

Kurzzeitig hatte ich tatsächlich den Plan mich volllaufen zu lassen und meine Sorgen zu ertränken, doch ist mir Marie zuvorgekommen. Ihr fragender Blick lag ständig auf mir und um sich abzulenken becherte sie ein Getränk nach dem anderen leer. Nach dem fünften Glas habe ich aufgehört zu zählen und weil sie mich nun betrunken ausquetschen wollte, habe ich sie an ihren Freund abgeschoben. Zum Glück habe ich ihn schnell gefunden, denn meine Geduld einer betrunkenen Marie zu erklären, dass ich tatsächlich nicht darüber reden möchte, hat meine Nerven mehr strapaziert als ich zugeben möchte.

Immer wieder hat sich mich gefragt, ob sie diesem Tristan in den Arsch treten soll, damit er erkennt, was er an mir habe oder ob ich ihm schon eindeutige Hinweise gegeben hätte, weil die meisten Jungs es sonst einfach nicht checken würden. Egal wie oft ich ihr erklärt habe, dass er nichts von mir und ich nichts von ihm will, sie hat trotzdem nicht damit aufgehört.

Am Ende hat sie sich sogar eine Liebesgeschichte zwischen uns ausgedacht, in der Tristan mit einem Blumenstrauß vor meiner Tür stehen würde, um sich bei mir ihm Namen seines Bruders zu bedanken. Natürlich würde ich ihn hineinbitten und prompt würden wir kuschelnd und küssend in den Federn landen, wobei es unter keinen Umständen bei diesen harmlosen Dingen bleiben würde. Mit anderen Worten ich hätte eine kurze, aber dafür feuchte Nacht vor mir. Sehr romantisch, Marie. Wirklich sehr romantisch...

Den ganzen Abend spukten seine königsblauen Augen in meinen Gedanken herum und der Knoten in meinen Magen hat sich nur stärker zusammengezogen. Reicht es nicht, dass ich mir so schon Tag und Nacht das Gehirn zermahle? Muss ich dann auch noch unbedingt an ihn denken, wenn ich ihn eigentlich für ein paar Stunden ausblenden möchte?

Ich seufze müde aus und stemme mich aus meinem Bett. Meine Gliedmaßen sind bleischwer und zitternd schlurfe ich in die Küche, um den Wasserkocher anzustellen. Auf dem Weg hebe ich das schwarze Kleid hoch, welches ich vor einer Stunde nur achtlos auf den Boden geworfen habe. Wie erwartet hat es viel zu viel Aufmerksamkeit auf mich gelenkt, weshalb ich nicht einmal in Frieden tanzen konnte, ohne dass mir nach zwei Takten eine fremde Hand gefährlich nah gekommen ist.

Ein ekliger Schauer läuft mir über den Rücken, als ich in die versoffenen Augen der Männer geguckt habe, in denen ihre schmutzigen Gedanken deutlich herauszulesen waren. Ich bin nie der Typ Mensch gewesen, der sich sofort allen Leuten an den Hals wirft. Die Umarmungen zur Begrüßung oder zum Abschied mache ich meistens nur mit, weil es unhöflich wäre es nicht zu tun. Auf fremde Berührungen reagiere ich oft negativ, wobei Kinder und putzige ältere Damen wohl die Ausnahme bilden. Und Tristan.

Wild schüttele ich meinen Kopf um den Idioten aus ihm zu vertreiben. Am Ende mache ich mir tatsächlich noch Hoffnungen, dass etwas aus uns werden könnte, weil anscheinend jeder mehr sieht als ich, doch das ist vollkommener Quatsch. Man kann sich nicht so schnell zu einer Person hingezogen fühlen, die man kaum kennt.

Tristan und ich hatten nur knappe zwei Wochen etwas miteinander zu tun und anfangs hat er mich nur wie stinkende Luft behandelt. Dann gibt es diese seltenen, schöneren Momente, aber die kann man auch an einer Hand abzählen. Es ist leeres Geschwafel und idiotische Naivität, wenn man denken könnte, dass wir irgendetwas anderes als Toleranz füreinander empfinden.

Ich gebe zu, dass ich seine Wärme mag, aber das lag wahrscheinlich auch nur daran, weil es draußen immer kalt war. Er ist eben eine wandelnde Heizung und man flüchtet doch automatisch zum wärmsten Ort, oder nicht? Außerdem respektiere und vertraue ich ihm, wobei ich nicht hundertprozentig sagen kann, ob er es genauso sieht.

Durch den Nebel - Jenseits aller RegelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt