Kapitel 42

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Geladen tigere ich durch Eduards Wohnung, die ähnlich schlicht wie sein Holzhäuschen eingerichtet ist, nur eben um Welten moderner. Sie wäre bestimmt noch um einiges schöner oder eindrucksvoller, wenn ich nicht meine Gedanken daran verschwenden würde, wie ich dem arroganten Drecksack den Hals umdrehen kann.

Keine Ahnung, wie lange die anderen schon in dem Zimmer sind. Ich höre, dass sie diskutieren und besonders Laras aufgebrachte Stimme dringt durch die Tür, jedoch verstehe ich nicht, auf was sie sich einigen. Jetzt wollte ich einmal nicht ausgegrenzt werden und was mache ich? Flüchte selbst aus dem Raum. Super, das habe ich absolut spitzenmäßig hinbekommen!

Aber wäre ich nur eine Sekunde länger geblieben, dann wäre ich höchstwahrscheinlich explodiert. Wie kann dieser arrogante, hinterlistige Milchbube aus solch belanglosen Gründen das Leben so vieler Wesen riskieren? Seiner Familie? Ihm ist sein Ruf und sein Ansehen anscheinend wichtiger und Macht ist das Einzige an das er denkt.

Er hat es noch nicht einmal in Betracht gezogen, dass die Vampire sich wehren könnten! Der aufklappende Mund reichte, um mir zu verdeutlichen, dass er absolut keine Ahnung hat. Er lebt als liebster Lieblingssohn in seiner von Papa beschützen Welt und ist komplett verblendet.

Er soll ein strategisches Ass sein? Vielleicht auf dem Papier, aber doch nicht im Praktischem! Er denkt doch nur stur geradeaus und sobald die erste Kurve kommt, schmettert sein Verstand dagegen und verschwindet im Nichts.

"Alexandra?"

Die zarte Stimme von Max holt mich aus meinen tobenden Gedanken. Er steht unsicher im Türrahmen und blickt abwartend zu mir hinauf. An seiner Stelle wäre ich wahrscheinlich genauso vorsichtig, wenn ich mich gerade sehen würde. Die Beschreibung "Furie" passt da wohl noch am besten.

Alle fünf Sekunden raufe ich mir meine Haare und ich schreie unterdrückt auf, wenn ich zulange über dieses kantige Gesicht nachdenke, welches uns so selbstgefällig belächelt hat. Es war schon fast eine kleine Genugtuung, als der erschrockene und ungläubige Ausdruck über seine Züge gehuscht ist. Vermutlich ist es unvorstellbar für ihn, dass ein Niemand, wie ich es bin, ihn durchschauen konnte.

"Worüber habt ihr noch geredet?", fauche ich harscher, als ich eigentlich möchte, aber ich kann meine Stimme im Augenblick nicht kontrollieren. Es ist schon ein Wunder, dass ich ihm überhaupt die Chance gebe, mir zu antworten und ihn nicht mit meinen Fragen durchlöchere.

"Samuel hat zugegeben, dass du mit allem recht hattest. Eduard und Tristan sind am diskutieren, wie es jetzt weiter gehen soll und haben sich bis jetzt nicht einigen können. Lara ist, ähnlich wie du, aus dem Zimmer gestürmt und ich wollte jetzt zu ihr gehen", erzählt der Kleine und ich nicke verstehend.

Der, ach so tolle, zukünftige Alpha muss ab sofort mit seiner Schmach leben, dass eine Wildfremde sein Spiel aufgedeckt hat. Ich weiß gerade nicht, ob ich mich darüber freuen oder doch lieber weinen soll. In diesem Fall hätte ich mit Freuden eingesehen, dass ich falsch läge und Samuel anders gehandelt habe. Vielleicht hätten wir noch eine Chance gehabt, das Rudel ohne größere Schwierigkeiten zu befreien, aber das können wir nun vergessen.

Ein betrübtes Seufzen verlässt meine Lippen, während ich auf Max zugehe und ihm mit meiner Hand durch die wirren Locken fahre. Ich habe nicht mitbekommen, wie Lara herausgekommen ist, aber ich habe auch Max erst bemerkt, als er mich angesprochen hat.

Der Lockenkopf mustert mich noch einmal kurz, bevor er sich mit einem aufmunternden Lächeln abwendet und im Flur verschwindet. Schon wieder handelt er erwachsener als ich, weshalb ich mich jetzt endlich zusammenreißen muss. Ein wütender Kopf bringt uns jetzt auch nicht weiter.

Ich schließe für ein paar Sekunden die Lider und versuche nur auf meine Atmung zu achten. Erst als die Anspannung minimal von mir gewichen ist, traue ich mich ein paar Schritte näher an das Zimmer heran. Noch bevor ich die Tür öffne, höre ich die ruhige Melodie von Eduards Stimme. Hoffentlich hat er einen guten Plan, der uns weiterhelfen kann. Am besten einen Plan, der keinen Kampf beinhaltet.

Durch den Nebel - Jenseits aller RegelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt