Kapitel 7

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Feine Funken schweben mir für einen Wimpernschlag entgegen, bevor sie im Nichts verblassen. Wie Glühwürmchen tanzen sie durch die Luft, unscheinbar und verzaubernd. Was mache ich hier gerade? Ein blutiger Geschmack verseucht meine Sinne und erst jetzt wird mir klar, dass ich die ganze Zeit auf meiner Wangeninnenseite herumkaue, während ich in den trügerischen Schlitz starre. Wenn ich nicht wüsste, dass es ihn gibt, würde ich ihn übersehen. Seine Umrisse sind nur zu erahnen und heben sich lediglich durch ein pulsierendes Flackern von der Umgebung ab. Fast wie ein Herz pumpt der Riss zarte Lichtbahnen durch sein Inneres, die in einem stetigen Rhythmus wieder zurückfließen. Als stände ich vor einem lebendigen Wesen, dem ich freiwillig ins Maul springen werde.

Tristan hat es irgendwie geschafft, ein Portal hervorzurufen. Auf meine Frage, wie er das gemacht habe, reagiert er nicht und auch die Geschwister können mich nicht aufklären, weil sie selbst nicht wissen, wie es genau funktioniert. Generell ignoriert mich Tristan die meiste Zeit und die wenigen Augenblicke, wo er mir antwortet, fachen bloß meine Ängste an.

Zittrig sauge ich meine warme Zimmerluft ein. Wir haben keinen besseren Ort gefunden, wo Tristan unbemerkt ein Portal beschwören könnte und mittlerweile bin ich froh, dass wir in meiner Wohnung sind. Sie beruhigt mich und gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Hier ist alles normal und bekannt. Hier gibt es keine blutrünstigen Wesen, die einen erbärmlichen Menschen in Fetzen reißen wollen. Hier gibt es nur einen schwebenden Schemen, der in eine andere Welt führt, die mich zu hassen scheint, wenn man Tristans Drohungen Glauben schenkt. Eigentlich müsste mich allein das Portal schon verachten und mich liebend gerne aufschlitzen wollen, denn wenn es durch einen Werwolf hervorgerufen wurde, ließe es auch nur Werwölfe sicher hindurch schreiten. Einzig und allein Hexen seien in der Lage für alle Wesen ungefährliche Durchgänge zu beschwören. Nein, nicht für alle Wesen... Menschen sei es nämlich strengstens untersagt, überhaupt den Versuch zu wagen, sich einem Portal zu nähern, geschweige denn zu betreten.

Diese Informationen beruhigen meine zum Zerreißen gespannten Nerven nicht wirklich und ich meine, dass es Tristan amüsiert, wie ich immer tiefer in meiner Panik versinke. Es dauerte eine Stunde, bis ich mich soweit gefangen hatte, dass ich normal reden konnte. Die Angst schnürte mir meine Kehle zu und auch jetzt fällt es mir schwer, einen zusammenhängenden Satz durch meine bebenden Lippen zu pressen.

Es ist schon dunkel draußen und die Zeit drängt uns immer weiter auf den Schlitz zu, wobei es in meinem Fall auch der Tod sein könnte. Es hat mich meine ganze Selbstbeherrschung gekostet meine Familie anzurufen und ihr die Lüge vorzugaukeln, dass ich mich erstmal nicht mehr melden werde, weil ich mich voll und ganz auf das Lernen konzentrieren müsste. Es war als hätte in dem Moment ein anderer Mensch meinen Körper übernommen, meine Emotionen abgeschaltet und erfolgreich meine Familie überzeugen können, während alles in mir nach Hilfe geschrien hat. Meine Freunde anzulügen war daneben fast lächerlich einfach. Eine Nachricht hat gereicht, um sie vom Fragen abzuhalten. Ich hätte familiäre Probleme und müsste erstmal nach Hause.

Entschieden schüttele ich meinen Kopf, um die Gedanken zu vertreiben. Es bringt mir nichts über meinen baldigen Tod nachzudenken oder meiner Familie und meinen Freunden nachzutrauern. Ich sollte optimistisch bleiben und mir einreden, dass ich das schaffen werde und heil nach Hause zurückkomme. Ein komisches Gefühl vermischt sich in meinem Magen mit den quälenden Sorgen. Genau deuten kann ich es nicht, aber das stört mich nicht weiter. Zurzeit habe ich andere Probleme.

Nervös zupfe ich an den Bändern meines Rucksackes herum. Wir haben auf die Schnelle die wichtigsten Sachen für eine Reise eingepackt, dabei bin ich mir ziemlich sicher, dass wir irgendetwas vergessen haben. Aber irgendwann waren unsere Taschen voll oder sie wurden zu schwer, weshalb wir die weniger wichtigen Dinge wieder aussortiert haben. Trotzdem bohren sich die Träger schmerzvoll in meine Schultern. Wenigstens lenkt mich der Druck minimal ab, weshalb auch meine Konzentration immer einnehmender auf meinem Gleichgewichtssinn liegt, damit ich, wegen dem Gewicht und meinen wackeligen Beinen, nicht auf dem Boden lande.

Durch den Nebel - Jenseits aller RegelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt