Kapitel 38

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Das stetige Piepen ist das Erste, was ich hören kann, als ich aufwache. Ich fühle mich schrecklich. Meine Gliedmaßen sind tonnenschwer und mein Kopf dröhnt, als würde ein Presslufthammer in ihm arbeiten. Auf meinem Gesicht spüre ich einen fremden Druck und mich zwickt es an meinen Armen. Ganz besonders an meinen Handgelenken und in den Armbeugen.

Kraftlos versuche ich meine Hand zu heben, aber keiner meiner Muskeln reagiert. Trotzdem atme ich erleichtert aus, als ich realisiere, dass das Feuer in meiner Brust geschrumpft ist. Das Atmen fällt mir generell leichter und die Schmerzen sind fast schon erträglich.

Ich öffne zögerlich meine Augen und verharre einen Moment, damit sie sich an das stechende Licht gewöhnen. Nach der ständigen Dunkelheit in dem kalten Raum ist die Helligkeit beinahe unangenehm, aber ich bin unglaublich froh, dass ich überhaupt noch einmal warme Sonnenstrahlen spüren darf. Die Sonne prickelt auf meiner kalten Haut und ein Teil meiner Anspannung fällt von mir ab.

Ich lebe. Wie auch immer das möglich ist. Eigentlich hätte ich in dieser Gasse verrecken sollen, aber das Glück ist wohl auf meiner Seite gewesen, denn jetzt liege ich in einem weichen Bett und starre an die weiße Zimmerdecke. Wahrscheinlich liege ich in einem Krankenhaus.

Mein Blick fällt auf die zahlreichen Maschinen und Schläuche, die mit mir verbunden sind. Über meinen Mund und meiner Nase ist eine Atemmaske befestigt und wie gebannt betrachte ich meinen gleichmäßigen Herzschlag. Für einen Augenblick habe ich Angst, dass ich das alles nur Träume und ich jede Sekunde auf dem schlammigen Boden aufwachen werde, aber dafür wirkt es alles zu real.

Ich rieche das Plastik der Maske und höre das Tröpfeln der Infusion. Außerdem friere ich nicht und diese Tatsache überzeugt mich davon, dass ich mir meine Rettung nicht einbilde. Sogar in meinen Träumen war mir kalt, weshalb ich ständig gezittert habe. Zwar ist mir gerade auch nicht warm, aber die Gänsehaut ist endlich von meinem Körper verschwunden.

"Sie sind wach", holt mich eine freundliche Stimme aus meinen Gedanken. Eine zierliche Frau mittleren Alters lächelt mich aufmunternd an und an ihrem Kittel erkenne ich, dass sie eine Ärztin sein muss. Mit einem wissenden Gesichtsausdruck betrachtet sie meine Werte und ihre Augen strahlen als sie mir verkündet: "Wir können ihre Beatmung abstellen und dann kläre ich sie erst einmal auf. Ich bin Dr. Maslova und ihr behandelnder Arzt."

Mit geübten Handgriffen löst sie die Atemmaske von meinem Gesicht und hecktisch japse ich nach der sterilen Luft. Der Duft von Desinfektionsmittel dringt in meine Nase und die Bettwäsche riecht nach Waschpulver. Tief sauge ich die Eindrücke in mich auf und versuche mich zu beruhigen. Ich kann fast unbeschwert atmen und es ist ein erlösendes Gefühl wenigstens ein Gerät von meinem Körper zu befreien.

Die Ärztin hat einen leichten Dialekt, welcher nicht wirklich auffällt, wenn man nicht genau auf ihn achtet. Ihre glatten, dunklen Haare sind in einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden, jedoch schimmert ein grauer Ansatz hervor, der sie etwas älter macht, als sie eigentlich ist.

"Frau Roxon, wie geht es Ihnen? Sie hatten eine schwere Lungenentzündung und zudem eine Blutvergiftung. Die Pneumonie ist höchstwahrscheinlich der Auslöser für die Sepsis gewesen. Das kann passieren, wenn die Lungenentzündung nicht frühzeitig behandelt wird. Sie hatten hohes Fieber und Wasser in der Lunge. Außerdem litten Sie an Blutarmut. Ihre jetzigen Werte sind um einiges besser und es gleicht fast einem Wunder, wie schnell sie sich erholen.

Trotzdem ist es meine Pflicht Sie darauf hinzuweisen, dass Sie das nächste Mal einen Arzt aufsuchen müssen, wenn sie dermaßen erkranken. Hätte der junge Mann Sie auch nur ein paar Stunden später gefunden, käme wohl jede Hilfe zu spät", beendet die Ärztin ihre Rede und ein dumpfes Gefühl breitet sich in meinem Magen aus. Ich wäre tatsächlich beinahe gestorben.

Durch den Nebel - Jenseits aller RegelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt