Die Sonne verschwindet gemächlich hinter dem Horizont und hinterlässt einen traumhaftschönen Himmel. Schweigend tun wir so, als würden wir das Schauspiel bewundern, doch in Wirklichkeit traut sich keiner die Stille zu durchbrechen.
Eigentlich sollten wir uns jetzt verabschieden und uns Mut zusprechen für alle Hürden, die vor uns liegen, aber keiner möchte es wirklich wahrhaben. Allein der Gedanke zerreißt mir das Herz und bringt meine Augen zum Brennen. Sie gehen zu lassen, ist schlimmer als jedes blutige Bild, welches sich in meinen Erinnerungen eingebrannt hat. Lieber würde ich ein weiteres Mal über ein Leichenfeld wandern, als sie zu verlieren.
Erst seit dreizehn Tagen, kenne ich die Kinder. Zwölf Nächte haben wir Seite an Seite gelegen. Nüchtern betrachtet ist das keine lange Zeit, aber es fühlt sich an wie eine halbe Ewigkeit. Keine zwei Wochen kämpfen wir uns durch diese Welt. Eine Welt von der ich nicht einmal wusste, dass sie existiert. Eine Welt voller schrecklicher Monster, Bestien und Mördern, wo Folter, Leid und Tod auf der Tagesordnung stehen.
Diese kurze Zeit in dieser völlig fremden Welt hat uns alle verändert und uns zusammengeschweißt. Max und Lara sind zu meinen kleinen Geschwistern und gleichzeitig zu meinen besten Freunden geworden. Wir haben zusammen gelacht und geweint, gelitten und gejubelt. Die Erlebnisse und Erinnerungen werden uns immer verbinden, egal was passiert.
Lara lehnt ihren Kopf an meine Schulter und Max sitzt auf meinem Schoß. Ohne es zu wollen, läuft eine Träne meine Wange hinab. Ist es egoistisch von mir, nicht gehen zu wollen? Wie oft bin ich den Plan in meinen Gedanken durchgegangen und habe nach einem anderen Weg gesucht, wie wir zusammen weitermachen könnten, aber gefunden habe ich nichts. Es wird Zeit. Zeit auf Wiedersehen zu sagen.
"Die Sonne geht jeden Moment unter...", flüstere ich, weil meine Stimme nichts weiter als ein dünner Hauch ist. Ich habe Angst, dass sie bricht, wenn ich lauter spreche. In meinem Hals kratzt jeder Atemzug und mein glasiger Blick heftet sich verzweifelt an die letzten Lichtstrahlen.
Mit einem herzzerreißenden Schluchzen wirft sich der Kleine in meine Arme und hält sich an mir fest. Sein Körper bebt und verbissen schüttelt er seinen Kopf, als möchte er das Unausweichliche aufhalten. Leise winselt er vor sich her, wodurch mein Herz in tausend Splitter zerbricht. Ich presse ihn näher an mich heran, höre seinen zitternden Herzschlag und vergrabe meine tränennasses Gesicht in seinen wirren Locken.
Ich will das nicht. Ich will sie nicht gehen lassen, sie allein lassen. Mein verschleierter Blick sucht nach Lara, die sich neben uns zusammengekauert hat. Mit zittrigen Händen ziehe ich sie in eine Umarmung und möchte sie nie wieder loslassen. Wir gehören doch zusammen, wieso muss es auf einmal vorbei sein?
Bis jetzt haben wir alles gemeinsam geschafft. Wir haben eine Hürde nach der anderen überwunden, weil wir uns hatten. Wir konnten uns blind aufeinander verlassen und haben uns gegenseitig vor den finsteren Gedanken in unseren Köpfen beschützt. Egal wie aussichtslos die Lage schien, wir haben immer zusammengehalten und gegenseitig auf uns aufgepasst. Wir haben uns zum Lachen gebracht und uns von der allgegenwärtigen Angst abgelenkt, die einen sonst in den Wahnsinn getrieben hätte.
Meine Brust zieht sich immer stärker zusammen, denn mein Verstand kämpft gegen meine Gefühle an. Ich weiß, was richtig sein sollte, aber warum fühlt es sich dann so schrecklich falsch an? Wieso muss es nur so verdammt grausam sein? Die Machtlosigkeit erdrückt mich und das Atmen fällt mir immer schwerer, als würden tausend Nadeln in meine Lunge stechen.
"Wir werden definitiv wiederkommen...", schluchzt Lara, "Wir werden wiederkommen und dann unternehmen wir ganz viele schöne Sachen..." Ihre Stimme ist schwach und heiser, trotzdem schwingt eine Zuversicht in ihr, die mir ein trauriges Lächeln entlockt.
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Durch den Nebel - Jenseits aller Regeln
Fantasy"Gehe nicht mit Fremden mit!" Jeder kennt diese Warnung, aber niemand kann sich alle Konsequenzen bewusst machen, die bei einer Missachtung folgen. Es ist alles möglich und nichts ist sicher. So muss auch die Studentin Alexandra ins kalte Wasser spr...