1 | Prisoner

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The first steps are always the hardest to go.

harry

Mein Gehirn war mit tausend Fragen überschüttet. Ich konnte an nichts anderes mehr denken. So vertieft in meinen Gedanken nahm ich nur beiläufig war wie der kühle Herbstwind mir um die Ohren pfeifte und sich jemand zu mir gesellte.

„Freust du dich nicht?", sprach Cedric und zerstörte so meine Hoffnungen auf sein Gerede verzichten zu müssen. Meist antwortete ich Cedric nicht und doch redete er weiter wie ein Wasserfall. Das es somit viel mehr ein Selbstgesprach war störte ihn scheinbar nicht. Ich war kein Verfechter von unnötigen und gezwungenen Konservationen. Deswegen zuckte ich auch diesmal nur mit den Schultern. Von dem was Cedric mir immer zu meinem Leidwesen erzählte, war ich davon überzeugt, dass er aus einer sehr christlichen Familie stammte.

„Ich habe auch angst hier rauszukommen und mit nichts dazustehen", seufzte er und im gleichen Moment schielten wir zueinander rüber. Jedoch richteten wir unsere Blicke schnell wieder nach Vorne. „Das da niemand ist der auf mich wartet oder von Menschen lediglich auf das hier reduziert zu werden ohne das sie die Wahrheit kennen", fuhr Cedric fort und traf damit genau meine momentane Gefühlslage. Am Ende waren wir eben doch nur zwei junge Kerle, die sich einfach wünschten ein anderes Leben zu führen. Dabei kannten wir uns eigentlich nicht wirklich. Zumindest wusste Cedric nicht so viel über mich wie umgekehrt. Und doch fiel mir jetzt erst auf das er ebenso wie ich nie zuvor über seine Gefühle gesprochen hatte. Irgendwas in mir vermutete das Cedric ein verdammt guter Schauspieler war.

Damit meinte ich nicht seine inneren Werte sondern seinen Auftritt nach Außen. Cedric verkörperte für mich einen schüchternen Streber, der jeden Sonntag mit seiner Familie in die Kirche ging. Er versuchte sein wahres Ich zu verstecken. Warum, war mir jedoch unschlüssig.

„Du bist ein wenig wie meine Schwester", lachte Cedric leicht auf. Seine Familie hatte er bisher aus seinen Erzählungen herausgehalten. Und seine Gesichtszüge deuteten mir, dass es keine Absicht war seine Schwester ins Spiel zu bringen. "Es gibt immer jemanden, der so ähnlich tickt wie man selbst", entgegnete ich ihm und fasste selbst nicht, dass solche Worte meinen Mund verlassen hatten. Ich war nämlich alles andere als philosophisch. Cedric hingegen schon wie er wenige Sekunden später bewies. "Dein Herz besteht aus vielen Kohlesteinen. Sie sind schwarz wie die Dunkelheit und strahlen eine eiserne Kälte aus. Lieben kann ein solches Herz nur die, die ihm wichtig sind. Diese Menschen bringen die Kohlesteine zum glühen. Und irgendwann wirst du diese eine Person treffen, die dieses Glühen zu einem Feuer entfacht und dein Herz lehrt zu lieben. Es verbannt die Kälte mit ihrer Wärme und erhellt die Dunkelheit mit dem Licht der lodernen Flammen. So etwas nennt man Liebe. Und jeder, auch du und ich, verdienen diese Liebe. Vergesse das nie, Harry", sprach Cedric resigniert und stand anschließend auf.

Ich tat es ihm gleich während er sich den Staub von dem orangefarbenden Overall abklopfte. Früher war Orange meine Lieblingsfarbe gewesen aber das hatte sich mit den Jahren geändert. Ohne weiteren Wortwechsel machten wir uns auf den Weg zurück in das Innenleben dieser Hölle, in der wir uns seit drei Jahren befanden. Nur dadurch hatten wir uns überhaupt kennengelernt. „Wenn du mal Hilfe brauchst: Ich schulde dir noch was", verschwand Cedric lächelnd und zwinkernd zugleich in seiner Zelle, die der Wärter sofort absperrte. "Ich komme sie in fünfzehn Minuten abholen", meinte der zweite Wärter hinter mir und warf meine Straßenklamotten auf das schmale Bett in der linken, oberen Ecke des Raumes. Zum letzten Mal hörte ich dieses Geräusch vom Schlüsseldreh, das mir deutlich machte, das es für viele Jahre kein Entkommen aus dieser Hölle gab.

In My Blood | h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt