17 | Over Again

195 6 2
                                    

And we start it all over again.

harry

Ahnungslos saß ich in dem Besucherraum, in den mich einer der Wärter gebracht hatte. Mein Blick wanderte automatisch zur Tür die geöffnet wurde.

„Guten Morgen, Harry", begrüßte Ben mich und setzte sich mir gegenüber. „Morgen", nuschelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

Die starren Blicke des noch anwesenden Justizbeamten ignorierte ich möglichst. Es war wohl kein Geheimnis, das Ben mich besuchen kam.

„Ich soll dir schöne Grüße von deinem Bewährungshelfer bestellen, dem du nie einen Besuch abgestattet hast. Demnach warst du auch nicht bei der Psychologin. Du hast damit deine Auflagen nicht erfüllt, Harry. Das kann dich zusätzlich belasten", begann Ben und sah mich enttäuscht an, „Ich war immer ehrlich zu dir, Harry."

Ich hatte Ben erzählt, dass ich die Vorlagen des Gerichts einhielt. Jedoch war ich weder beim Bewährungshelfer noch bei der Psychologin.

Ich wusste doch wie sie alle hinter meinem Rücken über mich ablästerten. Schon allein nach dem Inhalt meiner Akte wurde ich als hoffnungsloser Fall abgestempelt. Für die war ich bloße Zeitverschwendung. Sie wussten, dass sie mir nicht helfen konnten. Deswegen versuchten sie es gar nicht erst. Laut diesen Leuten war ich ein gewaltbereiter junger Erwachsener, der es niemals aus dieser tiefen Schlucht herausschaffte.

Immerhin ließ sich das aus meiner Polizeiakte und meinen Lebenesumständen vermuten. Aber dem war nicht so. Ich wollte raus aus dieser Schlucht. Sehen was mich dort oben alles erwartete.

Niemand hatte sich je die Mühe gemacht mir auf diesem Weg nach oben zu helfen.

Niemand außer Ben. Er war der Einzige, der mir helfen wollte aus dieser Schlucht rauszukommen.

Er hatte schon so viel für meine Geschwister und vorallem für mich getan. Er hatte seinen Job riskiert nur damit ich vorzeitig von dieser Hölle befreit war.

Er wollte mir eine Chance geben.

Und ich? Ich hatte sie mir verspielt.

Nicht ein einziges Mal hatte ich ihm gegenüber Dankbarkeit gezeigt. Keinen Schritt war ich ihm entgegen gegangen.

Er tat so viel für mich. Doch von mir kam nichts zurück.

Nicht einmal ein kleines Danke.

Ich konnte ihn verstehen, wenn er hier aufhörte. Wenn er mich fortan allein gelassen hätte. So wie jeder. Verdient hatte ich es.

Doch wieder einmal zeigte Ben mir was es hieß Opfer zu bringen. Einem Versprechen Wort zu halten.

„Lassen sie mich! Ich war das nicht!", schrie ich den Polizisten unter Tränen an, der mir Handschellen angelegt hatte. „Ich glaube dir, Junge. Vertraue mir, okay?", blickte er mich mit seinen blauen Augen an. Sie strahlten Wärme und Geborgenheit aus. Und trotzdem wehrte ich mich weiter. Ich konnte niemanden mehr blind vertrauen.

Ich blinzelte ein paar Mal um die Bilder wieder aus meinem Kopf zu kriegen. Damals hatte ich Ben so sehr gehasst.

„Was soll ich denn bei den Idioten? Die wollen mir doch eh nicht helfen. Für die werde ich immer ein gewaltbereiter Psycho sein, der sein halbes Leben im Knast verbringen wird", erwiderte ich ihm schließlich und zeigte ausnahmsweise auch meine Verletztheit über all diese abfallenden Kommentare.

Zu meiner Verwunderung entspannten sich Ben's Gesichtzüge wieder als er sich im Stuhl zurücklehnte. Und ich mochte behaupten ein zartes Lächeln auf seinen Lippen gesehen zu haben.

„Dann beweise ihnen das Gegenteil, Harry. Beweise ihnen, das du kein gewaltbereiter Psycho bist. Beweise ihnen, das du eigentlich ein guter Kerl bist", gab Ben mit einem auffordenden Unterton in der Stimme zurück. „Ich weiß, dass du ein guter Kerl bist. Das wusste ich von Anfang an. Also zeige diesen ganzen Idioten das sie unrecht haben."

Trotz meiner eher miesen Laune musste ich wegen Ben's Worten lächeln.

„Wie kannst du bloß immer so positiv sein?", fragte ich ihn kopfschüttelnd. „Ich habe auch schon negative Zeiten durchlebt. Wenn du deine Eigenen überstanden hast, dann weißt du warum ich immer so positiv bin", erwiderte er resigniert.

Und wann wusste ich, wenn ich diese negativen Zeiten überstanden hatte?

Zeit momentan darüber nachzudenken hatte ich nicht, da der Wärter uns mitteilte das die Besuchszeit vorbei war.

„Kannst- Kannst du den für mich abschicken?", hielt ich Ben einen Briefumschlag hin, den er mir nickend abnahm. Im Gegenzug gab er mir ein Bild, das Becky für mich gemalt hatte. Dieses Mädchen. Immer malte sie mir das gleiche Bild.

Er biss sich auf die Unterlippe um keinen Kommentar zu dem Addressaten zu verlieren. Dennoch erkannte ich das Grinsen in seinem Gesicht.

„Bis in drei Tagen und habe dich bitte im Griff", bat er mich was ich ihm versicherte. Ich wollte Ben nicht wieder einen Schlag ins Gesicht verpassen.

Im nächsten Moment führte der Wärter mich zur Tür um mich zurück in eine Zelle zu bringen.

Als ich mich ein letztes Mal umdrehte schenkte Ben mir den gleichen Blick wie bei unserer ersten Begegnung.

Seine blauen Augen strahlten erneut diese Wärme und Geborgenheit aus.

So als ob sie mir sagen wollten, dass ich Ben blind vertrauen konnte.

Das ich bei ihm in Sicherheit war.

***

In der Wohnung, wo ich mit den Jungs lebte, war auf den ersten Blick niemand da. Das war schon komisch. Sonst war immer jemand zuhause.

„Hallo?", rief ich durch den Flur aber bekam keine Antwort. Ich spähte in jeden Raum aber fand keinen der Jungs vor. Dabei zuckte ich kurz zusammen als jemand von hinten mit dem Finger auf meine Schulter tippte.

Irretiert drehte ich mich um und blickte in drei grinsende Gesichter. „Ich weiß, dass du nicht so auf Umarmungen stehst aber die hast du verdient", umarmte Liam mich, weshalb ich leicht lachen musste.

Irgendwie tat es gut. Zum ersten Mal hatte ich mich nicht vor diesen Umarmungen gesträubt oder sie nach zwei Sekunden beendet.

Wir wirkten vielleicht nicht so aber manchmal waren wir schon ziemliche Softies.

„Habt ihr den gebacken?", fragte ich lachend als Louis mit einem Kuchen zurück zu uns ins Wohnzimmer kam. „Ja. Es hat drei Versuche gebraucht", erwiderte Niall mir augenverdrehend.

„Jetzt puste endlich die Kerzen aus", forderte Louis mich auf was ich dann auch tat. „Ich habe doch gesagt" „Mache es einfach auf", unterbrach Liam mich lächelnd, woraufhin ich ihm die kleine Schachtel ab.

Es war kein großes Geschenk und ohne Kaufpreis.

Dafür hatte es eine ganz besondere Bedeutung für mich. Und damit hatten die Jungs mir einen Herzenswunsch erfüllt.

Mit leicht zittrigen Händen nahm ich den goldenen Ring aus der Schachtel und steckte ihn mir an den rechten Ringfinger.

„Danke Jungs." „Gott, jetzt muss ich auch noch heulen", fügte ich schmunzelnd hinzu als einzelne Tränen aus meinen Augen flossen.

Jahrelang war er verschwunden gewesen. Umso fragwürdiger war wo sie ihn gefunden hatten.

„Die Polizei hat ihn aufbewahrt. Ben hat ihn für uns besorgt", beantwortete Niall meine Frage als ob er Gedanken lesen konnte.

Der goldene Ring meines Vaters. Es war das letzte Andenken an ihn.

...........................
Würde mich über Sternchen und Kommentare freuen

In My Blood | h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt