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Home is where you are missing by the people you love.

harry

Es war ein komisches Gefühl dieses Haus zu betreten. Ich gehörte nicht hierher. Das war nicht meine Welt. Vielleicht, weil ich kein Reichtum besaß. Die meisten Menschen richteten ihre Häuser zwar so ein wie es ihnen gefiel aber manche Dinge waren nur Statussymbole. Sie sollten zeigen, dass diese Leute keine armen Schlucker waren. Seien es die teuren Marmorfliesen oder der Pool im Garten.

Sie mussten sich immer mit dem Neusten und Besten übertrumpfen. Alles drehte sich nur noch um Geld. Dabei verpasste die Mehrheit von ihnen die kleinen und schönen Dinge, die das Leben erst so lebsam machten.

Ich hingegen war ein armer Schlucker. Trotzdem beschwerte ich mich nicht sehr oft darüber. Klar wäre es auch schön gewesen ein gehobenes Leben zu führen aber ich war mir nicht sicher, ob das zu mir passte. Ich war schon immer ein Rebell. Ein Rebell mit nicht allzu schlechten Charaktereigenschaften. Irgendwie mochte ich dieses Leben. Ich musste niemanden etwas beweisen oder schauspielern.

Das Einzige was jeder brauchte war Respekt. Vor Anderen und sich selbst. Bei manchen allerdings hatte ich den Glauben, dass sie unterwegs den Respekt vor allem und jeden verloren hatten. Ohne Respekt auch keine Liebe ohne die das Leben eigentlich sinnlos war.

Mir war durchaus bewusst das Anne und Ben für ihre Verhältnisse ziemlich bescheiden lebten. Das rief mir erneut ins Gedächnis wie gut Brian und Becky es bei ihnen hatten. Sie durften hier das Leben führen, das ich mir für sie gewünscht hatte. Das Leben, das ich ihnen nie hätte bieten können.

Meine Geschwister waren der Grund gewesen, warum ich nicht abgestürzt war. Durch sie hatte ich eine Aufgabe, die mich viele Nerven gekostet hatte. Trotzdem hatte ich keinen Gedanken daran verschwendet aufzugeben. So ein Typ war ich nicht.
Brian und Becky waren stets der Hauptbestandteil meines Lebens gewesen. Dieses Leben hätte ich für die Beiden geopfert. Und jetzt?! Hatte ich sie verloren. Ich hatte als großer Bruder versagt. Die Menschen verloren, die ich am meisten liebte.

"Die erste Tür rechts", holte mich Ben zurück in die Realität. Wortlos ging ich die Holztreppe nach oben in die zweite Etage. Zögernd öffnete ich die Tür an der Becky's Name stand. Es war dasselbe Blatt Papier, das damals in unserer Wohnung an ihrer Zimmertür geklebt hatte. Der Raum an sich war ziemlich groß und wie ein typisches Mädchenzimmer eingerichtet.

Auf dem Weg zu Becky's Bett entdeckte ich links von mir eine Lichterkette an der mit Klammern Fotos befestigt waren. Bei genauerem anschauen stachen mir altbekannte Bilder ins Auge. Bilder von Brian, Becky und mir. Aber auch nur jeweils zwei von uns oder jemand alleine. Doch mein Lieblingsbild von damals war eingerahmt und stand auf ihrem Nachttisch. Das Bild war an Weihnachten vor sechs Jahren entstanden. Becky war da gerade mal zwei Jahre alt. Für mich war das Schöne an diesem Bild, dass nicht nur Brian und Becky abgebildet waren.

Denn die Jungs waren ebenfalls zu sehen. Wir hatten Weihnachten immer zusammen gefeiert, weil wir eben eine Familie waren. Diese Familie wünschte ich mir zurück und diese Bilder gaben mir ein wenig Hoffnung, dass ich meine Geschwister vielleicht noch nicht ganz verloren hatte.

Becky schlief schon längst wieder und da ihr Rücken mir zugewandt war, hatte sie mich auch nicht bemerkt. Ich ging zu dem Schreibttisch, der am Bettende stand und riss ein Blatt von dem karierten Block ab. Da ich sie nicht wecken wollte, hinterließ ich eine Notiz, dass ich die nächsten Tage nochmal kommen würde. Ich gab Becky noch einen Kuss auf die rechte Schläfe, bevor ich ihr Zimmer möglichst leise wieder verließ und die Tür hinter mir schloss.

In My Blood | h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt