33 | Masterplan

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A masterplan can still go wrong.

harry

Mir rutschte ein Lacher heraus als Valerie sich eine zweite Portion von meinem gekochten Essen auf den Teller scheppte. „Ich habe hunger", kommentierte Valerie schulterzuckend. „Du hast nicht geglaubt, dass es schmeckt, oder?", sah ich sie entrüstet an, weshalb Valerie mich entschuldigend anlächelte.

„Über was habt ihr denn geredet?", wechselte Valerie das Thema und ich brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen was sie meinte. „Ben will mir bei meinem Plan helfen. Nur hat Anne angst das ihm etwas passiert. Du weißt schon, weil sie ihre Kinder bereits verloren hat. Ich habe ihr versichert mit Ben zu reden, dass er sich zurückhalten soll", erzählte ich ihr und schob mir die letzte Gabel Kartoffelpüree in den Mund. „Ich kann mich sehr gut in Anne hineinversetzen", räusperte Valerie sich und nippte an ihrem Wasserglas.

„Mir ist das echt wichtig. Weißt du, wie verletzend es ist, wenn dich fremde Menschen auf der Straße so abwertend beäugen, weil sie denken du wärst ein Mörder?!", fuhr ich sie eher ungewollt laut an. „Nein, weiß ich nicht", gab Valerie in einem ruhigen Ton zurück, „Aber hast du schonmal darüber nachgedacht, dass deine Mühen vielleicht am Ende wertlos sind? Ohne Zeugen oder Beweise wird deine Mutter nicht im Gefängnis landen."

„Du bist derjenige, der mir immer sagt, dass die Meinung anderer Menschen über mich nicht so bedeutend ist wie ich mir einrede. Mir ist bewusst, dass du nicht mehr als Mörder gesehen werden willst aber es gibt Menschen da draußen, die dir trotzdem abwertende Blicke schenken werden."

„Diese Sache hat dir einen Stempel aufgedrückt, der nur langsam verblasst. Aber mit deinem Masterplan frischst du nur die Tinte auf, womit dieses Ereignis stets sichtbar bleibt. Vorallem für dich selbst. Du kannst nicht ändern, was passiert ist aber vielleicht solltest du mal lernen damit abzuschließen. Man muss nicht immer Rache ausüben, um glücklich werden zu können", sprudelte es weiter aus Valerie heraus, weshalb ich sie etwas perplex ansah.

Ihre Worte gaben mir tatsächlich zu denken übrig. Vielleicht war das wirklich nicht der richtige Weg.

Meine Mutter würde mir meine Naivität und hohe Selbsteinschätzung heimzahlen. Sie würde womöglich nie für ihre Taten büßen.

Deshalb war die Frage, ob es die Sache wert war, nicht gerade unrelevant.

***

Es war ein Fehler Ben auf der Arbeit zu besuchen. Denn erneut bemerkte ich diese abwertenden Blicke auf mir als ich am Empfang stand.

„Er kommt sie abholen", teilte die junge Frau mir freundlich lächelnd mit. „Gut, danke", entfernte ich mich wenige Schritte von ihr und musste nicht lange auf Ben warten. „Was machst du hier?", kam er ohne jegliche Begrüßung sofort zum Punkt. „Ich würde gerne mit dir reden", erwiderte ich ich ihm und kaute nervös auf meiner Unterlippe.

Schließlich führte Ben mich nach oben in den dritten Stock, wo sein Büro lag. Dort setzte ich mich auf einen der zwei Besucherstühle während er gegenüber von mir Platz nahm.

„Ich habe Zweifel bekommen, ob ich mit diesem Plan das Richtige tu", begann ich während Ben mir aufmerksam zuhörte, „Klar, wäre es eine Wiedergutmachung, wenn sie im Gefängnis landen würde aber die Wahrscheinlichkeit ist eher gering. Ich habe weder Zeugen noch Beweise gegen sie. Meine Mutter hat bisher immer gewonnen. Und sie wird auch sicher dieses Mal siegen. Ich will mich nicht umsonst in Lebensgefahr bringen."

Eine Zeit lang schwieg Ben.

„Du hast es endlich gerafft", grinste Ben mich an während seine Augen einen Funken von Stolz ausstrahlten. „Was habe ich gerafft?", hakte ich irretiert nach. „Das du dich nicht an deiner Mutter rächen musst, um mit der Sache abzuschließen", zuckte er mit den Schultern und trank einen Schluck von seinem Kaffee, den er sich zuvor gekocht hatte.

„Warte mal. Dein Hilfsangebot hat nur gedient, um mir eine Lektion zu erteilen?!", fuhr ich ihn an und wurde mit jedem Wort lauter, „Das war alles nur gespielt?!" Das hatte mich gerade echt getroffen und verletzt. Ich hatte Ben zum ersten Mal vertraut und er nutzte es schamlos aus.

„Sage nichts. Du bist genauso wie alle anderen Idioten in diesem Gebäude. Ich schenke dir mein Vertrauen und was machst du?! Nutzt es aus, um mir eine beschissene Lektion zu erteilen?! So geht man nicht mit dem Vertrauen anderer Menschen um", schrie ich ihn weiter an als er zum sprechen ansetzen wollte. „Harry, warte!", rief Ben mir hinterher als ich von seinem Büro aus in Richtung Fahrstuhl lief. Ich wollte nur noch hier weg. „Das war nicht so gemeint." Ben jedoch ignorierte ich und drückte mehrmals aggressiv auf den Fahrstuhlknopf.

„Spar's dir, Ben", zischte ich ihn an als er neben mir stehen blieb. „Selbst, wenn du mir gesagt hättest, dass du diesen Plan trotz Zweifeln durchziehen willst, hätte ich dir geholfen", sprach Ben und man sah anhand seiner Mimik das er es wohl ernst meinte. „Aber du scheinst froh zu sein, dass ich es nicht tun will", schüttelte ich den Kopf während ich vergeblich auf den Fahrstuhl wartete, der mich aus dieser Situation retten sollte.

„Ja, weil ich weiß, dass ich demnächst nicht auf deine Beerdigung gehen muss", entgegnete Ben mir mit einem scharfen Unterton. „Dir kann doch egal sein, was mit mir passiert." „Du bist mir aber nicht egal, Harry", widersprach Ben mir mit fester Stimme, „Hätte ich das alles getan, um dir später beim sterben zu zusehen?"

„Nein, vermutlich nicht", wisperte ich und mir reimte sich so langsam zusammen, worauf Ben hinaus wollte. „Ich habe mich darüber gefreut, weil du selbst gemerkt hast, dass dein Leben sehr wohl etwas wert ist. Das wolltest du früher nämlich nicht einsehen", lächelte er mich zart an als sich die Türen des Fahrstuhls öffneten.

„Und ich weiß auch, dass Valerie einen Teil dazu beigetragen hat. Die solltest du auch behalten", zwinkerte Ben mir zu, bevor er sich zurück in sein Büro begab. Kopfschüttelnd aber mit einem leichten Lächeln stieg ich in den leeren Fahrstuhl ein.

Als ich jedoch das Polizeipräsidium verließ und die Straßenseite wechseln wollte blieb ich ruckartig stehen. Diese hasserfüllten braun-blauen Augen würde ich überall wiedererkennen.

Doch als ich erneut zu ihr sah war sie verschwunden. Resigniert und mit schwerem Atem überquerte ich die Straße zu meinem Auto. Vielleicht hatte ich sie mir auch nur eingebildet.

Allerdings entdeckte ich einen Zettel, der außen an den Scheibenwischern klemmte. Zögernd nahm ich ihn an mich und faltete ihn auseinander.

Ich habe dich im Auge, Junge. E.

Je öfter ich diesen Satz las, umso schneller wurde mein Puls. Das war vorhin keine Illusion gewesen. Sie stalkte mich ohne das ich es bisher gemerkt hatte. „Geht's ihnen gut?", tippte mir eine ältere Dame auf die linke Schulter. „Ja, alles gut", stotterte ich vor mich hin und stieg in mein Auto ein. Ich atmete einmal tief ein und aus, ehe ich nach Hause zu den Jungs fuhr. Sie kannten meine Mutter und ihre Meinung war mir wichtig.

In solchen Momenten wünschte ich mir Liam an meiner Seite. Er war in Situationen wie dieser immer ruhig geblieben und hatte nie überstürzt gehandelt.

Er war ein Mensch, der zuerst versucht hatte Probleme gewaltfrei zu lösen. Liam hatte sofort gemerkt, wenn es einem von uns schlecht ging. Er hatte ein offenes Ohr und Herz für jeden gehabt.

Ja, manchmal erinnerte Liam mich an Ben. Die Beiden waren sich teilweise sehr ähnlich. Zum Beispiel, halfen sie freiwillig Menschen, die zu beschämt waren nach Hilfe zu fragen.

Vielleicht war das einer der Gründe warum ich Ben nicht wie andere Menschen von mir abstieß. Er ähnelte Liam und dem hatte ich schließlich auch stets vertraut.

„Ach, Liam. Sage mir was ich tun soll", seufzte ich und beobachtete im Seitenspiegel den laufenden Verkehr, der sich neben mir abspielte.

Doch diese Entscheidung musste ich wohl oder übel selbst fällen. So schwer sie auch war.

Eure Meinung zum Kapitel?🍃

Wird Harry seinen Plan umsetzen?

- sari🌸

In My Blood | h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt