old times - harry | 42

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Never forget the beautiful moments in life.

Als ich eine Pause machte durchstöberte ich die Bilder auf meinem Handy. Einige waren von Valerie und mir. Andere mit den Jungs. Und die wenigsten Bilder waren mit meiner Familie. Im Grunde nur meine Geschwister.

Aus meinem Geldbeutel kramte ich ein altes Polaroidfoto, das noch aus meiner Kindheit stammte. Zu dem Zeitpunkt musste ich um die acht Jahre alt gewesen sein. Darauf waren meine Großeltern und ich zu sehen wie wir vor dem Eifelturm standen. Ich erinnerte mich noch genau an diesen Tag.

„Gehen wir auch noch auf den Turm, Opa?", fragte ich meinen Großvater aufgeregt als wir an diesem vorbeiliefen. „Wenn du willst", erwiderte er mit einem Lächeln.

Es war das erste Mal, dass ich in Paris war. Mein allererster Urlaub. Diese Stadt war anders wie London. Umso euphorischer war ich als meine Großeltern mir zum Geburtstag dieses Wochenende in Paris geschenkt hatten.

Meine Mutter war zwar dagegen gewesen aber meine Großeltern hatten ihre Meinung ausnahmsweise ignoriert. Zumal mein Vater auch kein Problem darin gesehen hatte, was selten vorkam, da er meist gegenüber meiner Mutter nachgab.

Ich hatte es nie ausgesprochen aber ich liebte meine Großeltern ein kleines Stück mehr als meinen Vater. Meine Mutter hatte ich schon lange aufgehört zu lieben.

„Wollen wir ein Erinnerungsfoto machen? Das kannst du dann deinem Vater zeigen", schlug meine Oma mir vor, wobei ich zustimmte. Sie hatte eine junge Frau gebeten, die ihrem Akzent nach wohl aus Spanien stammte, ein Foto von uns Dreien vor der berühmten Sehenswürdigeit zu machen.

Danach kauften wir uns Tickets und fuhren mit dem Fahrstuhl bis fast an die Spitze des Eifelturms. Mein Großvater musste mich quasi vom Geländer wegzerren, da ich meinen Oberkörper zuweit über das Gelände gestreckt hatte, um möglichst viel zu sehen.

Ich war so faszinierd von diesem Ausblick von dort oben. Und das war der Moment, in dem ich mir geschworen hatte ein zweites Mal hierher zurückzukehren. Mit meinen Großeltern.

Dazu war es aber bis heute nicht gekommen. Der Kontakt zu meinen Großeltern war irgendwann abgebrochen und seitdem hatte ich nicht mehr mit ihnen geredet.

Meine Großeltern waren wenige Monate später nach North Carolina, einem Bundesstaat in Nordamerika, gezogen. Anfangs hatten wir noch telefonisch Kontakt zueinander aber ich hatte ihn mehr oder weniger bewusst abgebrochen.

Aus heutiger Sicht war es für mich selbst unverständlich. Doch ich hatte es getan, weil ich jung und überfordert war. Ich hatte angst, dass man mir meine Geschwister wegnahm.

Denn meine Großeltern hatten mir angeboten, dass ich mit Brian und Becky zu ihnen nach Wilmington ziehen konnte.

Aber Brian und Becky wollten nicht von ihren Freunden weg und ich hatte dieses Misstrauen dort nicht glücklich zu werden oder das meine Geschwister sich von mir abwandten, weil ich nicht mehr ihre alleinige Bezugsperson war. Damals waren Brian und Becky nämlich das Einzige, was mich noch am Leben erhalten hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich selbst meinen eigenen Großeltern nicht mehr vertraut, die ich früher angehimmelt hatte.

Manchmal hatte ich diese Entscheidung bereut. Ich trug seit Jahren ein schlechtes Gewissen mit mir herum, da ich meinen Großeltern diesen Stich ins Herz verpasst hatte. Und auch mir selbst.

Ich war schon oft kurz davor mich bei ihnen zu melden aber letzlich war ich immer zu feige. Andersherum wussten meine Großeltern nicht, wo ich mittlerweile wohnte.

„Harry?", riss mich Valerie's Stimme aus meinen Gedanken. „Was machst du hier?", entgegnete ich ihr und ließ mein Handy in der Hosentasche verschwinden. „Ich habe eine Überraschung für dich", grinste sie mich breit an und zerrte mich ohne Vorwarnung am Handgelenk aus der Werkstatt.

„Hallo, Harry", ergriff meine Oma das Wort, wobei ihre schmalen Lippen von einem warmen Lächeln verziert wurden. „Hallo, Granny", erwiderte ich als ich meine Sprache wiedergefunden hatte und umarmte zunächst meine Großmutter und danach meinen Großvater.

Die Zwei hatten sich absolut nicht verändert. Ich hatte sie noch genauso in Erinnerung. Ich freute mich sie wiederzusehen.

„Ich habe sie nicht gesucht. Sie haben dich gefunden", kommentierte Valerie meinen schielenden Blick zu ihr. „Ich wäre dir ausnahmsweise nicht böse gewesen, wenn du in meiner Vergangenheit rumgewühlt hättest", schmunzelte ich, was Valerie einen leisen Lacher entlockte.

„Wie geht's Brian und Becky?", erkundete meine Großmutter sich über meine jüngeren Geschwister. „Gut", gab ich knapp zurück. Noch wussten meine Großeltern nichts von meinem Gefängnisaufenthalt oder das Brian und Becky nun nicht mehr bei mir lebten.

„Wieso seid ihr überhaupt hier?", stellte ich ihnen die Frage, die mir auf der Zunge brannte. „Das klären wir besser woanders", entgegnete mein Großvater mir, was mich etwas stutzig machte.

„Ich hole eben meine Sachen. Dann können wir zu mir fahren", stimmte ich schließlich zu und holte meine Sachen aus der Werkstatt. Meine Großeltern fuhren mit Valerie, da mein Auto nicht unbedingt für mehrere Personen gedacht war.

Mit diesem Besuch hatte ich nicht gerechnet aber ich freute mich extrem darüber. Vorallem war ich gespannte was die Zwei zu erzählen hatten.

***

„Kannst du bis heute Abend auf die Beiden aufpassen?", fragte Ben mich sofort als ich an der Wohnungstür ankam. Auf der Treppe, die noch eine Etage höher führte entdeckte ich Brian und Becky.

„Ja, klar", willigte ich ein, wonach Ben mich dankbar anlächelte und an uns vorbei die Treppen hinunterlief.

„Granny!", rief Becky begeistert als sie diese entdeckte. Zu meiner Überraschung ließ auch Brian es nicht nehmen seine Großeltern zu umarmen.

„Also erzählt. Was macht ihr hier?", fragte ich sofort nachdem ich Brian und Becky vor den Fernseher verfrachtet hatte und wir Erwachsenen in der Küche saßen. Valerie war unterdessen wieder weg, da sie noch einen Arzttermin hatte.

„Du weißt, dass wir mit deiner Mutter nicht sehr gut zurecht gekommen sind", begann meine Großmutter, was mir eine Gänsehaut bescherte, „Wir haben, seit wir umgezogen sind keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt. Bis sie vor fünf Monaten plötzlich vor unserer Haustür stand."

„Jetzt sagt mir nicht, dass ihr dieser Frau verziehen habt?!", funkte ich mit einem scharfen Unterton in der Stimme dazwischen, was mein Großvater jedoch verneinte.

„Harry", griff meine Großmutter mit einem zarten Lächeln nach meinen Händen und drückte sie leicht, „Sie hat uns erzählt, was passiert ist. Das du im Gefängnis warst."

„Ich habe den Typen nicht umgebracht!", befreite ich mich lauthals aus ihrem Griff und musste aufpassen nicht gleich auszurasten, wie ich es früher immer getan hatte.

„Ich habe dir damals schon den Rat gegeben, den Leuten erstmal zu zuhören", seufzte meine Großmutter während ich mich im Stuhl zurücklehnte und die Arme vor der Brust verschränkte.

„Diese Frau hat mich zu unrecht in die Hölle gebracht", ignorierte ich ihre Aussage, wobei ich mich allmählich wieder beruhigte, „Wisst ihr, was das für ein beschissenes Gefühl ist, wenn niemand dir glaubt?! Wenn dich alle für einen Mörder halten, obwohl du versucht hast das Opfer zu retten?"

„Nein, wissen wir nicht. Aber dafür wissen wir, dass du so etwas nie tun würdest. Du magst ein kleiner Rebell sein aber solch eine Tat könntest du nicht mit deinem Gewissen vereinbaren", erwiderte mein Großvater, was meinen Körper entspannen ließ.

„Und was wollte sie von euch?", lenkte ich das Gespräch auf das eigentliche Thema zurück. „Willst du wirklich alles wissen?", runzelte meine Großmutter die Stirn.

„Erzähle mir alles."

Eure Meinung zum Kapitel?🍃

Was könnten seine Großeltern
ihm erzählen?

- sari🌸

In My Blood | h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt