Alternative

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„Blödmänner, die haben schon immer die Leute Schikaniert."

Schimpfte das Mädchen vor sich hin während sie ihre Blätter sortierte.

„Mag sein, aber nicht alle von ihnen waren schon immer so."

„Wenn du das sagst, ich bin übrigens Frieda."
Lächelnd hielt sie mir ihre Hand hin.

„Freut mich."
Trotz meines Schockzustands lächelte ich und freute mich wirklich über ihre Bekanntschaft.

„Du bist Smilla oder? Wir haben gemeinsam Geschichte, ich sitze ganz hinten in der Mitte."

Ich hatte ganz vergessen mich selbst vorzustellen, nur gut, dass Frieda einen so ausgezeichneten Sinn der Wiedererkennung hat.
„Ja ich bin Smilla, sorry ich bin gerade noch  ganz woanders in Gedanken gewesen."

„War ja auch gar nicht so schwer zu erraten wer du bist, die haben den ganzen Vormittag über die Neue mit den roten Haaren getuschelt. Und naja, da du die einzige mit roten Haaren in der Schule bist, konnten die ja nur dich gemeint haben."

Frieda lachte lauthals auf als wäre die Konfrontation von eben nie passiert.

„Wow! War das etwa der Freund nach dem wir die ganze Zeit Ausschau gehalten hatten?"
Zac stand hinter Frieda und lugte in die Richtung, in die Caleb verschwunden war.

„Nein, zumindest war das nicht der Caleb den ich einmal gekannt habe."

Ich sah ebenfalls noch ein letztes Mal in die Richtung, wand mich ab und ging zurück an den Tisch an dem wir zu Lunch gegessen hatten.

_______________*_______________

Es grenzte an einem Wunder, dass der restliche Schultag ohne weitere Vorkommnisse an mir vorbei zog, meine Gedanken jedoch durchliefen in Dauerschleife die Szene von heute Mittag und ich konnte nicht aufhören zu analysieren, was zum Teufel Caleb dazu geritten hatte so zu reagieren.

Nach vier Jahren hatte ich mir das Wiedersehen mit meinem Besten Freund wirklich anders ausgemalt.

Das Klingeln der Schulglocke drang wie ein Druck auf dem Ohr zu mir durch bis es einem ohrenbetäubendem Pfeifen glich. Alle Schüler um mich herum konnten es offensichtlich kaum abwarten hier raus zu kommen, packten ihre Sachen vom Tisch, sprangen auf und beeilten sich in den freien Nachmittag zu kommen.

Erst als ich feststellte, dass das Klassenzimmer so gut wie leer gefegt war. Begriff ich dass der erste Schultag tatsächlich ein Ende gefunden hatte.

Wieder einmal wurde ich im Strom der Masse durch die Flure nach Draußen getrieben und wenn es eine Sache gab die ich mehr hasste als von einer von Hormonen angeführten Menschenmasse verschleppt zu werden, dann waren es die viel zu kleinen, überfüllten Busse mit bunten, an den Sitzen klebenden Kaugummis, welche die einzige Alternative war auf dem schnellsten Weg nach Hause zu kommen.

Generell hatte ich eine Abneigung gegen öffentliche Verkehrsmittel, allein bei der Vorstellung, wie jemand mit Husten oder Schnupfen in die Hände hustet oder niest und sich dann anschließend an den Haltegurten festhielt, jagte mir eine Gänsehaut über den gesamten Körper und ich schüttelte den Kopf um die ekelerregende Vorstellung aus meinen Gedanken zu vertreiben.

Lieber falle ich bei einer Vollbremsung um, als dass ich mich an einer dieser Vierenschläuder-Stangen festhalten würde.

Aber was solls, ich schloss die Augen und versuchte nicht daran zu denken als ich die Stufe hoch zur Doppeltüre des Busses steigen wollte.

„Hey Smilla!"

Ich erschrak dank des hupenden Autos und drehte mich ruckartig um als ich meinen Namen hörte.

Am Ende der drängelnden Schlange, die sich alle irgendwie versuchten noch einen Platz in den ohnehin schon überfüllten Bus zu ergattern, stand ein schwarzer, sportlicher Tessler und ich konnte Zac als Fahrer hinter dem Steuer ausfindig machen.

„Soll ich dich mitnehmen?"
Ich wurde von der drängelnden Masse zur Seite geschoben und ging auf Zac zu.

„Was? Ich konnte dich nicht verstehen."

„Komm steig ein! Ich fahr dich nach Hause."
Er strahlte mit seinem Zahnpasta-Lachen und ich fragte mich ob ich jemals einen Menschen mit so weißen Zähnen außerhalb des Fernsehers gesehen hatte.

„Danke, aber das ist nicht nötig! Ich nehme den Bus."

Stirnrunzelnd zeigte er hinter mich in Richtung Bus.
„Du meinst mit dem Bus der gerade ohne dich weg fährt?"

„Was? Oh nein!"

Ich drehte mich um und sah dem Bus hinterher, wie er auf die Straße abbog und mich hier zurück ließ.

Im Augenwinkel sah ich auf dem Parkplatz eine kleine Ansammlung an Schülern und erkannte Caleb, sie alle hatten sich um einen Silber glänzenden Mercedes versammelt und betrachteten diesen, als hätte das Auto ebenfalls einen wohl geformten Arsch und eine pralle Oberweite wie die Mädchen, denen sie in der Mittagspause bereits nachgestellt hatten.

Erst als sein Blick genau auf meinen traf, bemerkte ich, dass ich gestarrt hatte.

Auch wenn ich es noch so sehr versuchte, konnte ich meinen Blick nicht abwenden und auch er machte keine Anstalten den starren Blickkontakt zu unterbinden.

„Smilla?"

Zac riss mich aus meinen Gedanken und ich drehte mich wieder zu ihm um.

„Hm? Sorry, was meintest du?"

„Steigst du jetzt ein, oder worauf wartest du?"

Kurz wog ich meine Alternativen ab und entschloss mich gegen das alleine nach Hause laufen, indem ich um das Auto herum lief und die Beifahrerseite öffnete um auf dem luxuriösem Ledersitz Platz zu nehmen.

„Ich wusste du würdest dich richtig entscheiden."

Lächelnd lehnte Zac sich in seinen Sitz zurück, setze den Gang ein und fuhr eine Kurve, so dass wir direkt an Caleb und seinen Kumpels vorbei fahren mussten um von dem Schulgelände runter zu kommen.

Erneut streifte mein Blick den seinen auch wenn ich mir nicht erklären konnte. Wie er das durch die dunkel, getönten Scheiben des Wagens anstellte, mir direkt in die Augen zu sehen.

Auch seinen grimmigen Gesichtsausdruck konnte ich mir beim besten Willen nicht erklären, nicht nachdem er es war, der mich abgewiesen hatte.

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